Die Baisse an den internationalen Aktienbörsen macht den Venture-Capital-Gesellschaften zu schaffen. Vor allem jenen, die mit kurzfristigen Engagements rasch große Gewinne schöpfen wollten. Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen. In jüngster Zeit waren bereits Pleiten zu beklagen. Denn die Börsenpläne, wesentlicher Bestandteil der Exit-Strategien, lassen sich nur schwer oder gar nicht realisieren. Gerade die Biotech-Branche, im ersten Halbjahr 2000 in den Himmel gehoben, hat die Börsenkälte zu spüren bekommen. Die hochgejubelten Kurse brachen drastisch ein, neue Aktien lassen sich kaum platzieren.Jörg Neermann, für Biotech-Unternehmen zuständiger Vorstand der Deutschen Venture Capital (DVC), sieht die Situation trotzdem eher gelassen: "Wir investieren meistens in einer sehr frühen Phase der Unternehmensentwicklung. Da dauert der Aufbau einige Zeit. Normalerweise haben wir bei unseren Beteiligungen einen Zeithorizont von zwei bis sieben Jahren. Und neben dem Börsengang gibt es auch andere mögliche Exits wie den Verkauf an strategische Investoren oder Großunternehmen. Wenn ein Betrieb profitabel wird, ist auch ein Rückkauf der Aktien durch das Unternehmen denkbar." Zum Portfolio der DVC, hinter der unter anderem die Deutsche Bank steht, gehört auch die österreichische Igeneon. Der Biotech-Start-up wurde 1999 mit 2,3 Mio. Euro Starthilfe aus Venture Fonds (Novartis Venture und 3i Austria) gegründet. Das Unternehmen ist auf Krebsimmuntherapie spezialisiert. 2001 wurden in der bisher größten Venture-Capital-Finanzierungsrunde im heimischen Biotech-Sektor weitere 30 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Der Mitarbeiterstab ist von zehn auf 53 angewachsen. Und Igeneon hat ein ausgewogenes Portfolio von Krebsimmuno-Therapeutika aufgebaut. Drei Schlüsselprodukte sind in verschiedenen Phasen der klinischen Studien. "Igeneon wäre schon reif für die Börse", meint Neermann. Aber das Börsenklima ist nicht reif für Igeneon. "Die nächste Finanzierung steht im Herbst 2003 an," sagt Unternehmenssprecherin Ursula Mayer. "Wir haben mehrere Optionen. Eine davon ist der Börsengang, eine andere private Finanzierungen." International ist gerade in dieser Schwächephase der Börsen ein Zusammenwachsen der Branche zu beobachten. Sei es durch Fusionen, sei es durch Übernahmen kleinerer Firmen durch etablierte Große der Branche. "Resultat wird eine kleinere Anzahl stärkerer Unternehmen sein, die international konkurrenzfähig sind", sagt Paul Drayson, Vorsitzender der britischen Bio Industry Association. Er befürwortet auch paneuropäische Fusionen wie jüngst die Übernahme der deutsch-holländischen Rhein Biotech durch die Schweizer Berna Biotech. "Die können dann unvermeidbare Rückschläge besser verkraften." (Nikolaus Dolenz DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 9. 2002)