Jörg Haider im ORF-Interview

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Wien – Um Stunden verschobene Parteisitzungen und die verzweifelte Suche nach einem Obmann: In der FPÖ regierte Montag das Chaos. Mitten in die Sitzungen hinein meldete sich Jörg Haider nach zwei Tagen auf Tauchstation via ORF-Kärnten zu Wort: Bedrohungen seien schuld am Rückzug vom Comeback.

Haider: "Als ich Freitag ein Lokal betreten wollte, ist jemand, den ich noch nie gesehen habe, auf mich zugegangen, und hat mir gesagt, Herr Haider, behindern Sie den Kauf der Abfangjäger nicht und passen Sie gut auf Ihre Familie auf." Das habe ihn zum Rückzug bewogen: "Aus den Umständen hat sich bei mir die Meinung verfestigt, dass hier nicht mit normalen Karten gespielt wird. Ich bin nicht bereit, meine Familie zu gefährden. Deshalb habe ich mich aus dem Rennen genommen. Umso mehr, als mir ein holländischer Journalist erzählte, dass Pim Fortuyn die Forderung erhoben hatte, dass es keine militärische Nachrüstung geben sollte. Das war offenbar sein Todesurteil."

Die verbliebenen Parteispitzen bemühten sich indes in Wien, für den Parteitag am Wochenende Obmann und Antrag zustande zu bringen. Diesmal wurde der Rückzug Jörg Haiders als länger dauernd betrachtet. "Ich rechne nicht mehr mit seiner Rückkehr an die Parteispitze", tönte etwa Vorarlbergs FPÖ-Chef Hubert Gorbach. Daher hoffe er: "Haider würde gut daran tun, seine Zurufe auf Kärnten zu reduzieren."

Haiders größter innerparteilicher Fanclub, die Kärntner FPÖ, legte sich auf einen Wunschkandidaten fest: Herbert Scheibner – oder ein anderes Regierungsmitglied. Recht viele gibt es da nicht mehr. Noch-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer ließ Montag neuerlich ausrichten, dass ein Rückzug vom Rückzug "ausgeschlossen" sei. Noch-Finanzminister Karl-Heinz Grasser wurde zwar von Gorbach als Parteichef ins Spiel gebracht, hat aber weder viele Freunde in der FPÖ, noch Lust aufs Amt. Damit gebe es noch Sozialminister Herbert Haupt und den (parteifreien) Justizminister Dieter Böhmdorfer – oder eben Scheibner. Der seit dem Rücktritt Riess-Passers interimistische Parteichef hat zwar schon mehrmals abgewunken, ob dieses "Nein" allerdings endgültig ist, schien am Montag mehr als fraglich.

So chaotisch war die Lage, dass auch Außenseiterkandidaten kolportiert wurden – etwa Norbert Gugerbauer. Dieser hatte sich vor Jahren aus der Politik zurückgezogen, aber zuletzt in der FPÖ Oberösterreich mitgemischt. Auch Kriemhild Trattnig tauchte aus der Versenkung auf. Die Kärntnerin hatte sich wegen Differenzen mit der "Buberlpartie" 1992 verabschiedet – und meldete sich Montag mit der Aufforderung an Haider, auch als Landeshauptmann zurückzutreten: "Ich habe den Eindruck, dass er nicht mehr will oder nicht mehr kann." (DER STANDARD, Printausgabe, 17.9.2002)