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"Was kann ich sagen? Ich bin ja feig und habe keine Manieren"...

Foto: Reuters/ Zolles

Graz – Die 1:3-Heimniederlage von Sturm Graz am Samstag in der österreichischen Bundesliga gegen Kärnten war gleichzeitig das Ende der Ära Ivica Osim bei den Grazern. Der Bosnier, der seit Juni 1994 das Zepter bei den "Blackies" schwang und damit der derzeit mit Abstand längst dienende Coach in der Bundesliga war, gab seinen Rücktritt als Trainer der Grazer bekannt. Osim hatte Sturm zwei Mal zum österreichischen Meistertitel, drei Mal zum Cupsieg und drei Mal in die Champions League, davon ein Mal in die Zwischenrunde, geführt.

"Acht schöne Jahre"

"Das heutige Spiel war nicht der Rücktrittsgrund", erklärte der 61-Jährige, der unmittelbar nach Spielende Präsident Hannes Kartnig und die Spieler von seiner Entscheidung informierte. "Es waren acht schöne Jahre bei Sturm, aber die letzten beiden Jahre waren doch eher problematisch. Ich will nicht mehr und werde mir einen neuen Job suchen", meinte Osim, dem das am Freitag bekannt gewordene, vor drei Wochen durchgeführte Kartnig-Interview mit dem Sportmagazin offensichtlich sehr verärgert hatte. "Was kann ich sagen? Ich bin ja feig und habe keine Manieren"...

Erste Rücktrittsabsichten

Bereits nach dem schwachen Start in die neue Saison mit der Niederlage im Supercup gegen den GAK und der 0:4-Heimniederlage in der ersten Meisterschaftsrunde gegen Rapid hatte Osim Rücktrittsabsichten anklingen lassen. Nach dem Ausscheiden in der Champions-League-Qualifikation gegen Maccabi Haifa schienen die Zeichen schon auf Abschied zu stehen, Osim einigte sich aber doch noch eher überraschend mit Kartnig auf eine Verlängerung der Zusammenarbeit.

"Strauß vom Balkan"

Osim ist als Spieler und Trainer ein hochangesehener Mann im europäischen Fußball. Als "Strauß vom Balkan" machte der elegante Mittelfeldregisseur zehn Jahre in Frankreich Karriere, ehe er 37-jährig seine aktive Laufbahn beendete und in seine Heimat zurückkehrte. Mit seinem Stammklub Zeljeznicar Sarajewo verdiente er sich seine ersten Lorbeeren als Trainer. Osim formte aus der multikulturellen Mannschaft aus der bosnischen Hauptstadt einen Spitzenklub, den er gegen die große Konkurrenz von Roter Stern und Partizan Belgrad, Hajduk Split und Dinamo Zagreb in der Meisterschaft zwei Mal auf Rang zwei und ins Cupfinale führte und mit dem Semifinal-Einzug im UEFA-Cup auch international für Aufsehen sorgte.

Erfolge mit Jugoslawien

1986 trat Osim die Nachfolge von Bora Milutinovic als Teamchef der jugoslawischen Nationalmannschaft an und erlebte den schmalen Grad zwischen Sieg und Niederlage, zwischen Euphorie und Tragik. Im Sport und vor allem im wahren Leben. Bei der WM 1990 scheiterte Jugoslawien erst im Viertelfinale, die Qualifikation für die EM 1992 gewannen die Jugoslawen gegen den späteren Europameister Dänemark und Österreich beeindruckend.

Doch der große Triumph blieb Osim verwehrt, Jugoslawien wurde von der EM ausgeschlossen. Mit dem Krieg 1991 war der Vielvölkerstaat auseinander gebrochen. Den mit einer Bosnierin verheirateten Kroaten raubte der Krieg einen Teil seiner Identität, hilflos zitterte er wochenlang bei der Bombardierung seiner Heimatstadt um Freunde und Verwandte. "Ich bin handicapiert", sagt er, wenn er Einblick in seine Seele gibt.

Lotse Schilcher

Osim wurde aus ganz Europa umworben, aber zu weit trieb es ihn von seiner Heimat nicht weg. Nach zwei Jahren bei Panathinaikos Athen lotste ihn Sturm-Manager Heinz Schilcher, von 1976 bis 1978 Mannschaftskollege bei Racing Straßburg, im Juni 1994 nach Graz, wo Osim aus Sturm den Top-Klub der späten 90-er-Jahre machte. Osim predigte den Offensivfußball, ließ der Kreativität und Spielfreude freien Lauf, formte aus Rohdiamanten Teamspieler und aus dem ehemaligen Provinz-Klub Sturm einen Verein von europäischem Format.

Erfolge mit Sturm

Die Grazer holten mit dem Bosnier die ersten zwei Meistertitel (98,99) sowie ihre ersten drei Cup-Trophäen (96,97,99) in ihrer Vereinsgeschichte. Außerdem führte Osim seine Mannschaft drei Mal in Folge (98,99,2000) in die Champions League, wo die Grazer bei ihrer bisher letzten Teilnahme sogar die Zwischenrunde erreichten. (APA)