Das Abschneiden der PDS entscheidet darüber, welche Koalitionsmehrheit sich im Bundestag ausgeht - Die Chefin der Postkommunisten im STANDARD-Interview
Redaktion
,
Standard
: Die PDS ist vor allem
in Ostdeutschland verankert.
Sie muss im Westen auf mindestens 1,8 Prozent kommen,
um bundesweit die Fünfprozenthürde zu schaffen. Wie
wollen Sie das erreichen?
Zimmer:
Wir merken längst
nicht mehr die demonstrative
Ablehnung, die es noch vor
drei, vier Jahren gegeben hat.
Wir können auch auf mehr
junge Leute im westlichen
Teil Deutschlands verweisen,
die vor Ort Wahlkampf machen. Damit können wir sig_nalisieren: Die PDS ist wählbar, auch in der alten Bundesrepublik. Wir setzen darauf,
dass wir mindestens zwei Prozent flächendeckend bekommen. Das wäre ein wichtiger
Schritt zu zeigen: Die PDS ist
keineswegs nur eine ostdeutsche Regionalpartei.
Standard:
Gerade im Westen
war Gregor Gysi sehr populär.
Ist sein Rücktritt wegen der
Flugaffäre nicht ein Rückschlag für die PDS?
Zimmer:
Ja, eindeutig, das hat
uns geschadet. Es wird sich
noch zeigen, inwieweit sich
das im Wahlergebnis auswirkt. Wir werden bei Wahlveranstaltungen auch häufig
darauf angesprochen. Ich finde es aber gut, dass Gysi weiterhin für die PDS Wahlkampfveranstaltungen macht,
und zwar mehr als ursprünglich geplant. Ich glaube, nicht
nur aus schlechtem Gewissen
heraus.
Standard:
Hat Ihnen nicht
Gerhard Schröder ein Thema
weggenommen, da er sich so
vehement gegen eine Irak-Intervention ausspricht?
Zimmer:
Einerseits finde ich es
sehr gut, dass sich der Bundeskanzler gegen eine deutsche Beteiligung ausgesprochen hat. Schröder reduziert
es aber nur auf den Irak-Konflikt und untersetzt die Veränderung seiner Wahlkampfstrategie nicht mit konkreten
Maßnahmen. Er hätte schon
die Möglichkeit gehabt zu sagen, dass er den deutschen
Luftraum für die USA nicht
zur Verfügung stellt. Wir erwarten auch, dass die deutschen Panzer aus Kuwait unverzüglich zurückgeholt werden und der Bündnisfall in der
Nato aufgehoben wird.
Standard:
Was würde Ihrer
Meinung nach ein Kanzler
Stoiber für Deutschland und
für Europa bedeuten?
Zimmer:
Wir werden alles tun,
um das zu verhindern. Ich habe auch den Eindruck, immer
mehr begreifen, dass dafür
entscheidend ist, dass die PDS
in den Bundestag kommt. Natürlich wäre die Wahl von
Herrn Stoiber gravierend und
würde sich einordnen in Veränderungen in anderen europäischen Ländern wie Österreich, die es in den vergangenen zwei Jahren gegeben hat.
Ich bin überzeugt, dass allein
Stoibers Freundschaft zu Italiens Silvio Berlusconi zeigt,
welche politische und gesellschaftliche Richtung in der
Bundesrepublik mit Edmund
Stoiber ansteht.
Standard:
Stoiber ist bei Auftritten in Ostdeutschland häufig attackiert und mit Eiern beworfen worden, auch seine
Umfragewerte sind deutlich
schlechter als im Westteil. Warum hat Stoiber solche Akzeptanzschwierigkeiten im Osten?
Zimmer:
Weil sie Herrn Stoiber als Ministerpräsidenten
von Bayern kennen gelernt
haben, der nichts, aber auch
gar nichts ausgelassen hat, um
den Ossis zu demonstrieren,
dass er weder ihre Biografien
noch ihre Leistungen respektiert. Und dass er nur nach den
Interessen seines Bundeslandes agiert und keineswegs solidarisch mit den neuen Bundesländern ist. Er hat vor dem
Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich geklagt. Er lässt bei Einstellungen in Bayern noch
immer alle Ossis einen Fragebogen ausfüllen, in dem gefragt wird, in welchen Organi 5. Spalte
sationen man zu DDR-Zeiten
war. Das wird von vielen als
Diskriminierung aufgefasst,
immerhin zwölf Jahre nach
der deutschen Einheit.
Standard:
Wie belastend ist die
Vergangenheit für die PDS, die
aus der ehemaligen SED hervorgegangen ist? Es ist ja noch
ein beträchtlicher Teil der Mitglieder aus der SED-Zeit.
Zimmer:
Wir haben nur noch
drei Prozent der Mitglieder,
die früher in der SED waren.
Das macht deutlich, dass es
einen erheblichen personellen und programmatischen
Wandel gegeben hat. Auch die
Frage, ob die PDS eine von
Moskau abhängige Partei ist,
ist längst Vergangenheit.
Standard:
Schröder sagt, er
lässt sich nicht mit den Stimmen der PDS zum Kanzler
wählen, wenn es für Rot-Grün
alleine nicht reicht. Glauben
Sie das?
Zimmer:
Es gibt ganz klare
Aussagen, sowohl von der
SPD als auch der PDS, dass
man weder koaliert noch sich
toleriert. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass sich Schröder
zur Wahl als Kanzler stellt,
wenn er sich seiner Koalition
nicht sicher ist. Ich glaube
ihm nicht viel, aber das schon.
(DER STANDARD, Printausgabe, 14./15. 9. 2002)
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