Gute Miene zum bösen Spiel versuchen Yassir Arafats Getreue angesichts der Rebellion des Parlaments zu machen, das dem Kabinett des Palästinenserchefs am Dienstag das Vertrauen verweigert hat. Von einem "Markstein für das palästinensische Volk, der den Vorsitzenden ermutigen wird, den Prozess der Demokratie und der Rechenschaftspflicht fortzusetzen", sprach etwa der zurückgetretene Minister und langjährige Arafat-Vertraute Saeb Erekat und dachte zugleich laut über das endgültige Ende seiner eigenen politischen Karriere nach.Die Kritiker waren auf der anderen Seite bemüht, Arafats Würde nicht zu verletzen und nach außen hin seinen Status als "Symbol des palästinensischen Volkes" zu verteidigen, doch das Symbol scheint im Verblassen zu sein. Seit den ersten und bisher einzigen Wahlen 1996 hatte Arafat den Legislativrat immer um den Finger wickeln und Reformversprechen verschleppen können, jetzt ist der "Rais" in der Defensive, weil die Ungeduld seine eigene "Fatah"-Partei erfasst hat, die direkt oder indirekt rund 80 Prozent der Mandate kontrolliert. Sowohl das Parlament als auch die Straße wollten einfach nicht mehr hinnehmen, dass Arafat Minister hielt, die als korrupt und unfähig gelten. Manche Beobachter sprachen von einem "historischen Tag", an welchem dem bisher unantastbaren Führer erstmals die Grenzen seiner Macht aufgezeigt worden seien, der Chef des israelischen Militärnachrichtendienstes, Aharon Seevi, ortete gar ein "Erdbeben", das zu Arafats Abgang führen werde: "Wann das passieren wird, weiß ich nicht, das ist ein langsamer und gradueller Prozess." In Israel hat kaum jemand Zweifel daran, dass die Isolierung durch die Armee und die politische Ausgrenzung durch die USA Arafats Demontage angestoßen haben, die Eliminierung Saddam Husseins könnte Arafat endgültig entzaubern. Für Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer ist der Moment gekommen, auf die Zeit nach Saddam und Arafat hinzuarbeiten und "unter Umgehung Arafats eine politische Initiative zu ergreifen, die eine neue Ordnung schaffen soll". Die Israelis sehen aber ein bisschen daran vorbei, dass die Unzufriedenheit mit Arafat mehr innen- als nahostpolitisch motiviert ist. Auch wenn vielen Palästinensern jetzt klar ist, dass die Intifada sie in eine Katastrophe manövriert hat, im "Kampf gegen die Besatzung" bleibt man mit Arafat solidarisch, und es ist fraglich, ob ein Nachfolger pragmatischer wäre - ganz abgesehen davon, dass niemand in Sicht ist, der Arafat bei den Wahlen schlagen könnte. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.9.2002)