Theaterschaffende trafen sich zu öffentlicher Diskussion im Zürcher Schauspielhaus: Solidarität und Lösungsvorschläge
Redaktion
,
Zürich - Theaterschaffende aus der Schweiz und
Deutschland haben am Mittwochabend auf der Pfauenbühne in Zürich über
die Entlassung des Intendanten des Zürcher Schauspielhauses,
Christoph Marthaler, diskutiert. Marthaler selbst zeigte sich
interessiert an neuen Lösungen mit dem Verwaltungsrat. Die Diskussion
über das Verhältnis eines Theaters zu seiner Stadt animierte die
Theaterschaffenden zu Lobreden über den
künstlerischen Wert von Marthalers Theater.
Das Kleine das Delikate
Nur durch das Theater, wie es der geschasste Zürcher Intendant
mache, werde das Publikum in Zürich "intelligent angeregt", sagte Tom
Stromberg vom Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Die Gesellschaft
müsse es sich leisten, für bestimmte Dinge wie jenes Theater "das
Geld aus dem Fenster hinaus zu werfen".
Vor dem Hintergrund des Zuschauerschwundes in Zürich und auch
anderswo vermutete der Schweizer Regisseur Luc Bondy, dass die Leute
nicht mehr bereit seien, sich zu konzentrieren.
Der Schriftsteller Adolf Muschg, neben dem Gesprächsleiter Roger
de Weck einer der beiden Köpfe der Protestbewegung für Marthaler,
erwiderte, er wolle gar kein großes Theater für ein großes Publikum.
Das Kleine sei das Delikate.
Auf Ablehnung bei allen Gesprächsteilnehmern stieß der Vorschlag
Luc Bondys, die Pfauenbühne zu schließen. Mehrere Berufskollegen
rieten Marthaler jedoch, zu gehen, wenn er das Gefühl habe, er sei
nicht mehr erwünscht. Marthaler selbst bekräftigte, er wolle bleiben
und zeigte sich hoffnungsvoll, dass die laufenden Verhandlungen mit
dem Verwaltungsrat zu einer Lösung führten.
Er sei gesprächsbereit, brauche aber viel Zeit, um sein Publikum
zu gewinnen, so Marthaler. Natürlich zerbreche er sich den Kopf über
die Gründe für den Besucherrückgang. Zur Zeit sei aber wichtiger,
dass er und sein Team jenes Theater machten, von dem sie überzeugt
seien. "Wenn in zwei Jahren das Publikum immer noch ausbleibt, kommen
wir vielleicht auch zur Einsicht, dass wir das falsche Theater für
Zürich machen."
Verwaltungsrat in der Defensive
Kritik hagelte es für den Verwaltungsrat. Das Gremium solle
innehalten und seinen Fehler rückgängig machen, statt die Situation
auszusitzen, forderten die Theaterleute. Und die Mitglieder sollten
öffentlich zum Besuch des Schauspielhauses aufrufen, statt den
Intendanten zu entlassen.
Nachdem die Runde lange Zeit unter sich über den Fall Marthaler
räsonierte, meldete sich der im Saal anwesende Verwaltungsrat und
Zürcher Kulturchef Jean-Pierre Hoby zu Wort. In der Runde wies er
nochmals darauf hin, dass Geldnot sowie der Zuschauerschwund von
50.000 Besuchern und nicht die künstlerische Arbeit Marthalers zur
Entlassung geführt hätten.
Diese 50.000 Theaterfreunde hätten im Marthaler-Theater keine
Heimat gefunden, sagte Hoby. Man müsse deshalb die Pfauenbühne und
den Schiffbau so programmieren, dass nebst den heutigen Besuchern
diese Leute wieder gewonnen werden könnten. (APA/sda)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.