Unter dem Titel "Österreich - Ende der ,Wende'" schreibt Andreas Wiesling, Österreich-Redaktor der Neuen Zürcher Zeitung am Dienstag: "Wer mit Haider die in den letzten Tagen oft zitierte Friedenspfeife raucht, muss damit rechnen, dass sie vor der Nase explodiert - diese Erfahrung haben soeben Bundeskanzler Schüssel und seine Stellvertreterin Riess-Passer gemacht. Durch die neueste Detonation, die der Kärntner Feuerwerker ausgelöst hat, ist die österreichische Regierung zerfetzt worden. Aber auch Haider selbst, der die Pfeife mit Sprengstoff gestopft hat, ist getroffen. Er hat die Regierung sabotiert und demoliert, die er mit aufgebaut hat. Auf den Mann ist kein Verlass, mit ihm ist kein Staat zu machen - die Erkenntnis ist nicht neu, aber diesmal besonders deutlich. . . . Haiders Putsch hat einmal mehr den wahren Charakter der Freiheitlichen Partei Österreichs gezeigt: Diese ist eine im Grunde undemokratische Führerpartei und steht unter Haiders Fuchtel. Er hat auch als angebliches "einfaches Parteimitglied" seine Mannschaft vollkommen im Griff."Am 5. Februar 2000 hatte der damalige Österreich-Korrespondent Andreas Doepfner die EU-Maßnahmen gegen schwarz-blau hart kritisiert und schrieb: "Demokratiepolitisch und verfassungsmässig gibt es nichts zu deuteln an der Regierung unter Bundeskanzler Schüssel. . . Dass Schüssel die Geister, die er rief, auch wirklich zu bändigen vermag, ist ihm zuzutrauen. Seine Lektion hat er beim ersten, miss lungenen Versuch als Zauberlehrling vor vier Jahren gelernt. Für die FPÖ-Wählerschaft beginnt ein Frühlingserwachen. Es könnte traumatisch enden, weil sie zur Kenntnis nehmen muss, dass ihr politischer Führer, Haider, dem "kleinen Mann" im ersten von ihm getragenen Regierungsprogramm nicht nur höheres Kindergeld, sondern auch bittere Medizin verabreicht. Wie sich das eben ein Politiker beim Start leisten kann. Es besteht kein Zweifel daran, dass nicht seine Minister, sondern er selbst für die Regierungspolitik mitverantwortlich ist. Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung nahm ihre ursprünglich positive Haltung zu schwarz-blau etwas zurück. Wien-Korrespondent Reinhard Olt am Dienstag: "Die österreichische Wende ist gescheitert. Ebenso schlug der Versuch fehl, die Regierungsfähigkeit der Freiheitlichen Partei Österreichs zu erweisen. Damit hat sich auch Kanzler Schüssels Glauben als trügerisch herausgestellt, Haider domestizieren zu können. Dessen Nachfolgerin im FPÖ-Vorsitz, Frau Riess-Passer, hat vor den stärkeren Bataillonen des Kärntner Landeshauptmanns kapituliert. Doch auf ihre Fähigkeit, sich gegen ihren Mentor zu behaupten, hatten Schüssel und die ÖVP gesetzt. . . .Damit hat Haider seine früher engste Umgebung aus der Partei gedrängt. Die Anhängerschaft der Zurückgetretenen bildet im Grunde das Potential für eine jedenfalls liberalere FPÖ. Haider verläßt sich da auf eine ganz andere Klientel. Es bleibt also alles beim alten: Nur er, nur Haider ist die FPÖ." Am 8. Februar 2000, kurz nach der Regierungsbildung, hatte Olt in seiner Kritik an der Haltung der EU-Partner geschrieben: "Dabei hat sich diese Regierung nach eigenem Bekunden vorgenommen, all jenen Prinzipien zu folgen, die zivilisierte Gesellschaften in der internationalen Staatengemeinschaft als höchste Güter erachten: Menschenrechte und Freiheit des Individuums zu gewährleisten. Nicht mehr und nicht weniger wollen die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) bewirken, als in Jahrzehnten großer Koalitionen fest geschnürte Fesseln zu lösen, die Eigeninitiative und Gestaltungsspielraum des Einzelnen nur allzu lange eingeengt haben. Das Programm der neuen Regierung liest sich wie das Bekenntnis Gestaltungswilliger im Geiste des Neoliberalismus." (tom/(DER STANDARD, Printausgabe, 11.9.2002)