London/Washington/Bagdad - Kurz vor dem ersten Jahrestag der Terroranschläge in den USA hat das angesehene Londoner Internationale Institut für strategische Studien (IISS) am Montag Angaben der US-Regierung zur Gefährlichkeit des irakischen Regimes in einem umfangreichen Dossier bestätigt.Der Irak sei in der Lage, innerhalb "weniger Monate" Nuklearwaffen zu bauen, sofern er sich spaltbares Material aus dem Ausland besorge, sagte IISS-Direktor John Chipman bei der Vorstellung des Reports in London. "Wenn wir drei, vier Jahre warten, wächst die Bedrohung", meinte Chipman gegenüber der BBC und übernahm dabei die Argumentation der US-Regierung für einen gewaltsamen Sturz des irakischen Staatschefs Saddam Hussein. Die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) in Wien lehnte am Montag einen Kommentar zum Report des IISS ab und ließ verstehen, dass der Bericht des Instituts, der sich auf Erkenntnisse des IAEA, der CIA, des Pentagon und der aufgelösten Irak-Abrüstungsbehörde Unscom stützt, keine große Neuigkeit darstellt. Grundstoffe für Senfgas Nach Einschätzung der Londoner Waffenexperten hält die irakische Armee etwa ein Dutzend Al-Hussein-Raketen mit einer Reichweite von 650 Kilometern sowie eine kleinere Zahl von Al-Samoud-Raketen mit einer Reichweite von 200 Kilometern verborgen. Die Raketen könnten mit biologischen und chemischen Sprengköpfen bestückt werden. Das Regime habe zudem "wahrscheinlich" einige Hundert Tonnen Grundstoffe zur Herstellung von Senfgas und Sarin sowie "vielleicht eine ähnliche Menge" an Grundstoffen des Nervengases VX. Der US-Pentagon-Berater und frühere Staatssekretär Richard Perle wies indes einen Bericht zurück, wonach der Todespilot Mohammed Atta vor dem 11. September mit dem irakischen Machthaber Saddam Hussein zusammengekommen sei. Die italienische Zeitung Il Sole 24 Ore habe ihn in diesem Zusammenhang "nicht korrekt" wiedergegeben, erklärte Perle gegenüber der Financial Times Deutschland (Dienstagausgabe). Er habe lediglich von einem bereits bekannten Treffen Attas mit einem Geheimdienstmitarbeiter von Saddam Hussein in Prag gesprochen, betonte er. (DERSTANDARD, Printausgabe, 10.9.2002,mab)