Salzburg - Sie sind ebenso sensibel wie formvollendet. Wie zarte Flamingos biegen und beugen sie sich über ihren Teller oder ein Blatt Papier. Obwohl fast ausschließlich Männer (und nicht immer die jüngsten), sind sie eigentlich so androgyn und ätherisch wie Michael Jackson oder Botticellis Engel.Und obwohl man viele von ihnen auf Anhieb wiedererkennt, haben sie fast alle dasselbe Gesicht: blutrote Lippen, blasser Teint, schmale Nase, Katzenaugen. Die Amerikanerin Elizabeth Peyton ist die Galionsfigur des Neuen Realismus in der Malerei. Aber nichts ist falscher als dieses Etikett: Hier herrscht Romantik pur, mit dem ganzen Hang zur Melancholie, zur Einsamkeit, zur ultimativen Einsamkeit im Tod. Und zu deren tragisch-schönen Popidolen: Bayerns Ludwig II., Nirvana-Sänger Kurt Cobain, die Söhne der Lady Di. "Das Leben ist schön und traurig zugleich", heißt es in Jim Jarmuschs Down by law. In Peytons Porträts bekommt diese Erkenntnis der Generation X die leichtfüßige Eleganz von Modeentwürfen, deren Models die immergleiche lässige Passivität verströmen. Für den Salzburger Kunstverein hat Peyton nun eine Serie von Künstlerporträts zusammengestellt. Die meist kleinformatigen Zeichnungen und Ölbilder mit ihren leuchtenden, manchmal neongrellen, aber immer transparenten Farbflächen zeigen Menschen, die sie persönlich kennt, oder bereits Verstorbene, die für sie zum Vorbild wurden. Peyton hat sie alle idealisiert und dabei verweiblicht: Andy Warhol wird zu einem versonnenen Leonardo DiCaprio, Szeneschreck Maurizio Cattelan versenkt sich still in sein Tun wie eine Magd von Vermeer. Alle Porträtierten, auch und gerade die öffentlichen Berühmtheiten, sind in betont privaten Situationen zu sehen. Die Malerin wendet die traditionellen Merkmale des Frauenbildes - Passivität, Intimität und Schönheit - auf Männer an, ohne dabei gleich die Gendercrossing-Keule zu schwingen. Vielmehr ist das dandyhafte Styling auf noble Distinktion bedacht, auf eine elitäre Selbstinszenierung à la Oscar Wilde und Marcel Proust. "Ich finde jede Art von Mann interessant, der sich zu einem Objekt stylt", sagt Peyton. "Das ist ein Ausdruck von Individualität. Wie bei Spencer (gemeint ist der Künstler und DJ Spencer Sweeney), der immer zu enge Frauenklamotten trägt, die immer eine Geschichte haben." Dass diese Schwulenästhetik viel den beiden Ikonen Warhol und Hockney verdankt, die sie mehrfach porträtierte, liegt auf der Hand. Elizabeth Peytons Bilder vermitteln alles, was der kritische Kunstdiskurs scheut wie der Teufel das Weihwasser: Schönheit, Präsenz, Privatheit, Innerlichkeit. Dass sie nun im Salzburger Kunstverein auftaucht, der sich seit einem Jahrzehnt diesem Diskurs verschreibt, lässt aufhorchen. Pop erweist sich wieder mal als das Einfallstor verpönter Gefühle. Was im coolen Habitus eines Covermodels von Wallpaper oder i-D daherkommt, darf auch mal ganz unpolitisch und romantisch sein. Vermutlich erfährt man vor diesen Bildern auch mehr über den gesellschaftlichen Status quo als in so manch gelehrter Documenta-Plattform. Bis 6. 10. (Anselm Wagner, DER STANDARD/Print-Ausgabe vom 6.9.2002)