Wien - Der erhoffte Konjunkturaufschwung lässt weiter auf sich warten. Dafür sind nach Ansicht von Wirtschaftsforschern vor allem externe Faktoren verantwortlich, aber auch gesetzte oder verabsäumte Maßnahmen der heimischen Wirtschaftspolitik. "Der Aufschwung ist verschoben auf 2003", sagte der Chef des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI), Werner Clement, am Donnerstag vor Journalisten in Wien. Auch den längerfristigen Trend bezeichnete er als "unglücklich". International sieht er die Wirtschaft in nächster Zeit um ein Prozent wachsen. Zwischendurch könnte es aber auch zu Einbrüchen kommen.Für die Konjunktur in Österreich lasse sich derzeit kein eindeutiges Bild zeichnen, die Situation der Industriesparten sei sehr heterogen, sagte Damianisch. Während die Bauindustrie mit einem Produktionsrückgang rechnet, erwarten Bergbau, Eisen erzeugende Industrie, Glas- und Papierindustrie sowie der Textilbereich ein ausgeglichenes Ergebnis. Die chemische Industrie und die Nahrungs- und Genussmittelindustrie dürften auf eine leicht ansteigende Konjunktur hoffen. Weiterhin im Minus bleibt der Sektor der metallbe- und verarbeitenden Industrie. Wolfgang Damianisch, Geschäftsführer der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich, forderte die Regierung auf, "Zeichen in Richtung Optimismus" und "wirksame Konjunkturspritzen" zu setzen. So sei über eine kurzfristige Wiedereinführung des Investitionsfreibetrages (IFB) nachzudenken, um rückläufige Industrieinvestitionen wieder anzukurbeln. Die Wiedereinführung könnte das Budget mit rund 7 Mrd. S oder 500 Mill. Euro belasten, rechnete Wolfgang Damianisch, Geschäftsführer der Industriesparte in der WKÖ vor. Zurückhaltung in der Herbstlohnrunde Zusätzlich fordern die Industrievertreter in der Wirtschaftskammer die Anhebung der Forschungsausgaben, eine Lohnnebenkostensenkung sowie ein verlängertes und erweitertes Konjunkturpaket. Die rasche Umsetzung von Infrastrukturprojekten wie dem Generalverkehrsplan oder Anschlussfinanzierungen bei der Vergabe von Forschungsmitteln sollten die Standortqualität für die Industrie verbessern. Clement riet vor der Herbstlohnrunde "zu äußerster Zurückhaltung". Unter den aktuellen Bedingungen seien steigende Personalkosten nur zu Lasten der Beschäftigung zu verkraften. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen müssten Vorrang haben. Ein drohender Irak-Krieg hätte in Form steigender Ölpreise jedenfalls negative Auswirkungen. In Aussicht gestellte Preise um 50 oder gar 100 US-Dollar je Barrel hält Clement allerdings für "unvorstellbar", sondern mehr für Drohgebärden der erdölproduzierenden Länder. "Auf Nulldefizit fixiert" Die Abschaffung des IFB sei vor dem derzeitigen Hintergrund jedenfalls negativ, sagte Clement. Die Regierung habe sich zu sehr auf das Ziel Nulldefizit fixiert, das nur bei Eintreten der Wachstumsprognosen erreichbar gewesen wäre. Angesichts der anhaltenden Konjunkturschwäche habe die restriktive Budgetpolitik aber prozyklisch gewirkt - und das Ausbleiben von Investitionen und damit einer wirtschaftlichen Belebung verstärkt. Auch Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) könnten nicht schaden. Nachsatz: "Es könnte nur passieren, dass monetäre Impulse nicht mehr ausreichen". "Kleine Anpassungen" statt Steuerreform Zurückhaltend äußerte sich Clement auf Fragen nach einer Steuerreform. Es gehe bei der aktuellen Diskussion nicht um eine wirkliche tief greifende Reform, sondern "wovon wir jetzt sprechen, sind ja nur angedachte kleine Anpassungen". Angesichts einer Steuerquote von 46 Prozent sei eine Steuerreform "natürlich" notwendig, meinte Damianisch. Ob das "diese Regierung in ihrer Endphase" noch bewerkstelligen könne, ließ er aber offen. Er denke nicht darüber nach, ob er mit dieser Forderung "mit irgendwem in einen mehr oder weniger erquicklich Topf geschmissen" werde. (APA)