Es "menschelt" am Gipfel in Johannesburg. Vielleicht weniger in den Sitzungen und Verhandlungen der Delegationsführer, dafür aber umso mehr draußen, rund um das politische Taktieren herum.Andrang am deutschen Stand. Vor allem der ausgestellte Wasserstoffmotor des Opel Zafira erweckt lebhaftes Interesse. Plötzlich strömt eine südafrikanische Besuchergruppe neugierig zur Vorzeigelimousine. Eine Referentin ruft aufgeregt: "Die interessieren sich für das Auto. Wer kann etwas dazu erzählen?" Der Vertreter des Bundes der Deutschen Industrie und der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit zucken mit den Schultern. "Okay", ruft die Referentin: "Wer kann sich schnell was ausdenken?" Am weitesten entfernt von Zuhause sind die Vertreter der kanadischen Ureinwohner. Zusammen mit anderen indigenen Völkern wollen sie darauf aufmerksam machen, dass ihr Lebensstil durch Umweltverschmutzung und Industrialisierung bedroht ist. Doch abends im Restaurant müssen die "Eskimos" aus Kanadas Norden Aufklärung leisten. "Ich weiß, dass Ihr nicht mehr in Iglus lebt", sagt die schwarze Kellnerin, "aber wie lebt Ihr dann?" - "Genau wie Sie", sagt der Chief. "Sie zähmen ja auch nicht jeden Tag einen Löwen." Wer Abenteuer liebt, sollte mit dem Taxi fahren. Die Fahrgäste müssen den Fahrern den Weg zu den Orten der Veranstaltungen zeigen. Bei der Suche nach einem Restaurant fahndet der Beifahrer im Stadtplan nach der betreffenden Straße. Belohnt werden die Fahrgäste mit Preisen, die um 50 Prozent höher sind als normal. Die Regierung hat die Taxizentralen angewiesen, ihre Taxameter entsprechend anders einzustellen, erzählen die Fahrer freimütig. Überall liegen Kondome herum: Im Restaurant, auf der Toilette, im Bed & Breakfast. Was als Maßnahme gegen Aids gedacht ist, versetzt viele Delegierte in Stimmung. Die wiederum schaltet alle Vorsichtsregeln aus. Und so muss Justizminister Penuell Maduna nicht nur zu Sicherheitsfragen am Gipfel Stellung nehmen, sondern auch vor Sexfallen warnen. Delegierte wurden bei Prostituierten betäubt und ausgeraubt. Die Veranstalter kennen das bereits von der UN-Konferenz gegen Rassismus in Durban vor einem Jahr. Damals fand man einen Delegierten, der sich von vier Frauen hatte bedienen lassen, mit einer Überdosis K.O.-Tropfen tot im Bett. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4. 9. 2002)