Knapp zwei Wochen vor den schwedischen Parlamentswahlen am 15. September werden die Sozialdemokraten nervös. Zwar liegt die Regierungspartei mit 35,1 Prozent in der Wählergunst weiter unangefochten vorn, hat aber in der vergangenen Woche stetig Prozentpunkte eingebüßt. Der einst solide Vorsprung von Sozialdemokraten und Linkspartei gegenüber dem bürgerlichen Block ist merkbar geschrumpft - laut einer Umfrage vom Dienstag liegt er jetzt bei 46,5 zu 45,6 Prozent.Dabei galt der diesjährige Wahlkampf bisher als recht langweilige Veranstaltung. Zum einen sind die Losungen der beiden großen Kontrahenten, der Sozialdemokraten und der konservativen Moderaten Sammlungspartei, verblüffend ähnlich: Abgesehen vom Zwist um die Steuerpolitik stehen mehr Geld für Kinderbetreuung, Schule und Gesundheitswesen, die Bekämpfung der Kriminalität und strengere Anforderungen an Einwanderer obenan. Zum anderen schien der Triumph von Premier Göran Persson mit Blick auf die Ausgangsposition beider Seiten nahezu sicher: hier die bürgerliche Opposition, fast ausnahmslos mit bemerkenswert farblosen Führungsgestalten ausgestattet und in wichtigen Punkten wie der Europa-, Umwelt- und Familienpolitik zerstritten. Dort die Regierungspartei, mit einem Ministerpräsidenten, der sich während des schwedischen EU-Ratsvorsitzes 2001 und nach den Terroranschlägen in den USA zum geachteten Landesvater mauserte. Der erfolgreich mit den Wählern in der politischen Mitte geflirtet und eine stolze Bilanz vorzuweisen hat: Nach der tiefen Krise Anfang der Neunzigerjahre und einem rigorosen Sparkurs ist die Staatsschuld inzwischen im Griff, sank die Inflation auf zwei und die Arbeitslosigkeit auf vier Prozent. Ein dicker Wermutstropfen ist jedoch der lawinenartige Anstieg von Langzeit-Krankschreibungen und Frühpensionierungen. Wachsender Stress im einstigen Wohlfahrtsparadies gilt als Ursache dafür. Als Folge droht nun eine Kostenexplosion für die öffentlichen Kassen. Am Montag lancierten Konservative, Liberale, Zentrum und Christdemokraten zudem ihre Überraschungswaffe: Zum ersten Mal überhaupt präsentierten sie ein gemeinsames bürgerliches Wahlmaterial. 3,5 Millionen Haushalte sollen die Broschüre erhalten, in der Konfliktstoff ausgeblendet und ausdrücklich der Wille zum gemeinsamen Regieren bekundet wird. Verärgerte Basis Indes kehren den Sozialdemokraten vor allem Stammwähler aus der Gewerkschaft den Rücken. Sie verübeln Persson, dass er im Lavieren um parlamentarische Partnerschaften das Gegenlager umworben hat. Lieber wäre der Basis die Fortsetzung der Linkskoalition. Allein: Mit fünf Prozent bewegen sich etwa die Grünen momentan gefährlich nahe der Vierprozenthürde. Und: Fast jeder zweite Wähler hat sich noch nicht entschieden. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.9.2002)