Nach der Wahl dürfte Milosevic gar keine Partei mehr haben
Serbische Sozialisten zersplittern unter autokratischer Führung des Ex-Präsidenten - Drei Reformpolitiker ausgeschlossen
Redaktion
,
Belgrad - Der frühere jugoslawische Präsident Slobodan
Milosevic, der seit eineinhalb Jahren nach Kräften bemüht ist, seine
Sozialistische Partei auch aus dem Gefängnis des
UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag zu leiten, dürfte die
Kontrolle über die Partei bald völlig verlieren. Wenige Wochen vor
der serbischen Präsidentschaftswahl am 29. September erlebt die
Partei nun weitere Zersplitterung, nachdem sich bereits im Frühjahr
ein Sozialisten-Flügel von der einst größten Partei Serbiens
abgespaltet hatte.
Die Schuld an dem Parteizerfall trägt auch dieses Mal Milosevic
selbst, der anhaltend bemüht ist, die Parteiengeschäfte durch die
Vertrauensleute der unter seinen Parteifreunden gehassten
Jugoslawischen Linken (JUL) verrichten zu lassen. Dabei hatte die
Sozialistische Partei gleich nach der Wende in Serbien im Oktober
2000 die damalige Koalition mit der JUL-Partei von Milosevics Gattin,
Mira Markovic, aufgelöst.
Personalwechsel
Milosevic hatte in der Vorwoche wieder einmal einen
Personalwechsel an der Parteispitze vorgenommen. Zum amtierenden
Parteichef hatte er Bogoljub Bjelica bestellt. Der weniger bekannte
Spitzenfunktionär war vor allem durch seine JUL-Nähe aufgefallen. Die
Belgrader Parteiführung akzeptierte zwar den Personalwechsel, auf
entschlossenen Widerstand stieß aber die Empfehlung Milosevics, die
Präsidentschaftskandidatur des Ultranationalisten Vojislav Seselj zu
unterstützen. Die Parteiführung kürte stattdessen in der Vorwoche
ihren Spitzenfunktionär, den Belgrader Schauspieler Velimir Bata
Zivojinovic, zum eigenen Präsidentschaftskandidaten.
Bjelica wiederum unterstützte am Montag die Kandidatur von Seselj
öffentlich. Der Führer der Radikalen Partei erfreut sich auch der
Unterstützung der JUL-Partei, was ihm allerdings unter Serben kaum
mehr Stimmen bringen wird. Der sozialistische Spitzenfunktionär
Dusan Bajatovic hat indes Medien gegenüber einen Parteiausschluss von
Bjelica und seiner Anhänger wegen Verstoßes gegen die Parteipolitik
in Sicht gestellt. Milosevic dürfte somit seinen Einfluss auf die
Parteiführung noch vor 2. November verlieren, wenn die Sozialistische
Partei einen Parteitag abhalten will.
Drei Reformpolitiker ausgeschlossen
Die oppositionelle Jugoslawische Linke (JUL)
hat zudem drei serbische Reformpolitiker aus ihren Reihen ausgeschlossen. Sie hatten sich dem serbischen Regierungslager angeschlossen. Es handele sich um einen stellvertretende Minister der jugoslawischen Bundesregierung und
einen stellvertretenden Minister der serbischen Regierung, meldete
der Belgrader Sender TV-B92 am Dienstag.
Drittes ausgeschlossenes Parteimitglied ist der umstrittene
Medienmogul Zeljko Mitrovic, der seinen populären TV-Kanal "Pink"
nach der Entmachtung des früheren Präsidenten Milosevic der neuen
Regierung unter Zoran Djindjic zur Verfügung gestellt hat. (APA/dpa)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.