Inland
Herzl-Zitat: Strafverfahren gegen deutschen Künstler eingestellt
Ein Jahr Probezeit - Kastner: Hoffe, dass Politiker etwas daraus gelernt haben
Salzburg - In der seit Sommer des Vorjahres andauernden
Geschichte um die Ergänzung eines Zitats des Zionismus-Begründers
Theodor Herzl in Salzburg dürfte es jetzt einen endgültigen
Schlusspunkt geben. Das Strafverfahren wegen schwerer
Sachbeschädigung gegen den deutschen Künstler Wolfram Kastner, der
gemeinsam mit Studierenden der Sommerakademie das Zitat auf einer
Gedenktafel an der Neuen Residenz in der Altstadt ergänzt hatte,
wurde nun vom Gericht unter einer Probezeit von einem Jahr vorläufig
eingestellt, teilte Kastner mit. Kastner hatte im August 2001 als Professor der Sommerakademie die
Marmortafel am ehemaligen Gerichtsgebäude Salzburg, auf der ein
halbes Zitat aus Herzls Tagebuch ("In Salzburg brachte ich einige der
glücklichsten Stunden meines Lebens zu") eingraviert war, mit dem
zweiten Teil - "Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt
geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters
befördert worden." - ergänzt.
Zitat wird vervollständigt
Erst nach einem breiten internationalen Medienecho und der
Intervention des Bundespräsidenten fand man sich in Salzburg bereit,
das Zitat zu vervollständigen. "Nun ist die Tafel vorerst ganz
verschwunden. Auf meine Anregung, den langen und mühsamen Weg der
Einsicht auch in der Gestaltung und mit einer dauerhaften
handschriftlichen Ergänzung zu dokumentieren, erhielt ich bislang
keinerlei Reaktion", so Kastner.
"Das Strafverfahren wäre fortzusetzen, sollte gegen Sie vor Ablauf
der Probezeit wegen einer anderen strafbaren Handlung ein
Strafverfahren eingeleitet werden. Andernfalls wird nach Ablauf der
Probezeit e n d g ü l t i g von der Verfolgung zurückgetreten
werden. Der Rücktritt von der Verfolgung wird lediglich im
Geschäftsregister der Staatsanwaltschaft für 5 Jahre registriert. Das
ist keine Eintragung im Strafregister. Sie sind dadurch nicht
vorbestraft", heiß es im Beschluss der zuständigen Bezirksrichterin
Gunda Knapp.
"Ein ordentlicher Freispruch wäre zwar angemessener gewesen. Ich
werde aber dennoch nicht von meinem Recht Gebrauch machen, zu diesem
Zweck die 'Fortsetzung des Strafverfahrens zu verlangen' und damit
den unnötigen öffentlichen Kosten, die durch das falsche Zitieren und
die unkluge Rechthaberei der Landesregierung entstanden, weitere
Kosten hinzufügen - auch wenn das von der Sache her weit mehr
berechtigt wäre", meinte der Künstler weiter.
Zu wünschen bleibe, "dass einige der politisch Verantwortlichen
bei dieser öffentlichen Diskussion etwas Positives gelernt haben:
Dass fälschende Zitierweise und Unterschlagung keine Mittel der
Demokratie sein dürfen, dem vorhandenen Antisemitismus vorzubeugen;
dass mit präpotentem Verhalten und Strafdrohungen der demokratische
Diskussionsprozess nicht immer zu unterdrücken ist und dass Kunst
mitunter einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten kann -
gerade wenn sie unbequem ist." (APA)