Nahost
Oberstes Gericht gibt Grünes Licht für Abschiebung von Palästinensern
Heftige Kritik für umstrittene "Abschreckungsmaßnahme"
Jerusalem - Das Oberste Gericht in Israel hat die
Abschiebung von Angehörigen palästinensischer Attentäter für rechtmäßig erklärt. Das
Gericht gab am Dienstag nach Justizangaben grünes Licht für die
Abschiebung von zwei Verwandten von Extremisten aus dem
Westjordanland in den Gazastreifen. In einem dritten Fall lehnten die
Richter die Abschiebung "aus Mangel an Beweisen" ab. Ein Militärgericht hatte im Juli entschieden, drei Angehörige von
Extremisten vom Westjordanland in den Gazastreifen abzuschieben. Zur
Begründung hieß es, sie hätten von den Anschlagsplänen gewusst und
diesen zugestimmt. Menschenrechtsorganisationen hatten gegen das
Urteil protestiert und Berufung vor dem Obersten Gerichtshof
eingelegt. Die israelische Regierung sieht in den Abschiebungen eine
wirksame Abschreckungsmaßnahme gegen künftige Attentäter. Kritiker
sehen die Maßnahme als menschen- und völkerrechtswidrig an.
Keine willkürlichen Abschiebungen
Der israelische Rechtsexperte Moshe Negbi erklärte, das
neunköpfige Richtergremium hätte mit seinem differenzierten Urteil
willkürlichen Abschiebungen einen Riegel vorgeschoben. Die Richter
hätten deutlich gemacht, dass die Armee handfeste Beweise vorlegen
müsse. Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat bezeichnete
die Entscheidung dagegen in Gaza als "Kollektivstrafe" und sprach von
einem "schwarzen Tag für die Menschenrechte".
Das Urteil betrifft Intisar und Kifah Ajouri, die davon gewusst
haben sollen, dass ihr Bruder Ali Ajour mehrere Selbstmordanschläge
organisierte. Blockiert wurde die Abschiebung von Abdel Nasser Asida,
dem Bruder eines Hamas-Aktivisten, der in mehrere Anschläge auf
Israelis im Westjordanland verwickelt sein soll, bei denen 19
Israelis getötet wurden.
Die Geschwister, die nun für die Dauer von zwei Jahren abgeschoben
werden dürfen, hatten nach israelischer Darstellung ihrem Bruder bei
der Vorbereitung von Bombenattentaten geholfen. Sie sollen ihm
Unterschlupf gewährt, ihn beim Transport von Sprengsätzen unterstützt
und sogar seinen Sprengstoffgürtel genäht haben. Das Gericht hielt es
für erwiesen, dass somit auch die Geschwister in Terrorismus
verwickelt gewesen seien und von ihnen potenziell eine Gefahr
ausgehe.
In dem dritten Fall lehnten die Richter eine Abschiebung ab. Das
Gericht erklärte, der Mann habe seinem als Drahtzieher mehrerer
Attentate geltenden Bruder lediglich ein Auto geliehen und ihn mit
Essen und sauberer Wäsche versorgt. Eine Verbindung zwischen dem
Verhalten des Beschuldigten und den terroristischen Aktivitäten des
Bruders ergebe sich dadurch jedoch nicht. Eine Abschiebung von
"unschuldigen" Angehörigen von Attentätern sei nicht erlaubt, auch
wenn dies abschreckende Wirkung hätte, hielt das Gericht fest." Die
Anwältin der Ajouri-Geschwister, Leah Tzemel, bezeichnete diesen
Punkt der Entscheidung als "sehr, sehr positiven Punkt".
Das Oberste Gericht hatte Mitte August die Ausweisung der drei
Palästinenser vorläufig gestoppt. Das Gericht hatte damit einem
Einspruch der drei Beschuldigten stattgegeben und den
Abschiebungsbeschluss eines Militärgerichts mit einer einstweiligen
Verfügung ausgesetzt. (APA)