Bild nicht mehr verfügbar.

Der Vorschlaghammer blieb im Sack: Der britische Popstar Peter Gabriel gab sich bei seinem ersten Live-Auftritt nach acht Jahren beim Münchner "KöniXXtreffen" eher zahm.

Foto: APA/Wolfgang Hauptmann
Anlässlich des 20-jährigen Bestehens von Virgin Records in Deutschland absolvierte Superstar Peter Gabriel am Wochenende in München seinen ersten Liveauftritt seit acht Jahren und gab dabei Einblick in sein demnächst erscheinendes Studioalbum "Up". München - Als Bryan Ferry Let’s Stick Together sang, ließ sich das mehrfach deuten. Der letzte Song seines regulären Sets behandelte zwar eigentlich eine zwischenmenschliche Liebe - wie könnte es bei Ferry anders sein. Angesichts des oft angesprochenen "familiären" Charakters, den die Plattenfirma Virgin zu pflegen versucht, konnte man diese Aufforderung aber auch als Geste einer freundschaftlich gereichten Hand in Richtung seiner Verleger deuten: "Lass uns zusammenbleiben." Immerhin feierte der britische Popstar am vergangenen Samstag am Münchner Königsplatz vor 12.000 Besuchern das 20-jährige Bestehen der Deutschland-Dependance seines Labels, und da gewannen derlei Statements natürlich doppelte Bedeutung. Virgin, 1970 als Plattenladen vom Briten Richard Branson gegründet und 1992 als erfolgreiches Label an den EMI-Konzern verkauft, gilt im Musikbusiness als Major mit "menschlichem Antlitz". Ein Image, auf das Deutschland-Chef Udo Lange bis heute besonderen Wert legt. Er versteht Virgin als "eine große Familie". Dafür erschien das Programm, das man anlässlich dieses Jubiläums zusammengestellt hatte, jedoch erstaunlich lieblos. Zwar ließ der Umstand, dass die Ingolstädter Band Slut (sic!) der 20-jährigen Jungfrau die Ehre erwies, durchaus auf Humor der Verantwortlichen schließen, angesichts höchst attraktiver Label-Acts (von Manu Chao über Daft Punk bis zu den HipHoppern N.E.R.D.) erschien die Auswahl von Bands wie den einfältigen Reamonn (Supergirl) oder Naseweisen wie der schwedischen Punk-Boy-Group The Ark oder Heyday aus dem Wuppertal eher einfallslos. Neben Charmeur Bryan Ferry und Hubert von Goisern verließ man sich gänzlich auf Peter Gabriel als publikumswirksames Zugpferd. Immerhin veröffentlicht dieser am 23. September sein erstes Album seit neun Jahren und bestritt bei dem als "KöniXXtreffen" ausgerufenen Festival seinen ersten Live-Auftritt seit acht Jahren. Im Verein mit einer sechsköpfigen Band präsentierte der 52-jährige Ziegenbartträger ein paar alte Hits wie Red Rain oder Solsbury Hill und stellte drei Stücke seines neuen Albums Up vor. Doch zumindest live ließ sich feststellen, dass Gabriels Werk, das meist durch den Spagat gekennzeichnet war, progressiv und kommerziell erfolgreich zu sein, doch auch stagniert. Zu einem durchgehend gleich bleibenden Beat, dem von The Eye Of The Tiger der unsäglichen Hairy-Metal-Band Foreigner nicht unähnlich, wiederholte Gabriel altbekannte Strickmuster. Zornig und sensibel

Am Keyboard stehend, sorgte er für eingängige Melodien, in denen seine besorgte Zärtlichkeit evozierende Stimme jene Wirkung entfalten konnte, die das Publikum seit seinen Anfangstagen bei Genesis an Gabriel schätzt. Doch das bekannte Wechselspiel zwischen laut (ist gleich gerecht und zornig) und leise (ist gleich sensibel und verletzbar) erschöpfte sich bald in seiner Berechenbarkeit. Zwar versagte er sich drohendem Synthie-Schmalz, doch auch die stattdessen eingeführten weltmusikalisch anmutenden Flötenintermezzi - die Kelten kommen! - erschienen nicht viel besser. Dazu fügten sich die neuen Songs wie der Album-Opener Darkness allzu glatt in das gebotene Best-of-Programm. Zwar lärmt dieser Song anfangs ordentlich und stellt den Fuß in die Tür, als wollte sein Verfasser damit sagen: "Papa ist wieder zu Hause!" Doch der ehemalige Innovator Gabriel, der mit Sledgehammer (1986) das in der Geschichte von MTV meistgespielte Video verantwortet hat, muss sich heute wohl damit abfinden, dass er nach der technisch rasanten letzten Dekade nur noch als Mittelfeldspieler einzuschätzen ist. Seiner Laune nach scheint es dem Mann dort jedoch bestens zu gefallen. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.9.2002)