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"Wenn jemand als Busengrapscher oder Exhibitionist auffällig wird, kommen seine Fingerabdrücke in die Datei."

foto: apa/dpa
"Viel, ganz viel" müsse sich ändern, davon ist Günther Beckstein überzeugt. "So wird die terroristische Gefahr in Deutschland völlig unterschätzt." Es sprudelt aus dem CSU-Politiker in kernigem Bayrisch im Gespräch mit dem Standard nur so heraus: Bei Visaanträgen aus "Gefährderstaaten" wie Sudan, Pakistan oder dem Jemen müssten Fingerabdrücke oder sonstige biometrische Daten erfasst werden. "Das halte ich für unabdingbar." Außerdem müssten Angaben zu "Ethnie und Religion" gespeichert werden dürfen. "Eine Rasterfahndung ohne diese Daten ist nur einen Bruchteil wert." Ihn selbst habe nicht überrascht, dass die meisten der Attentäter vom 11. September zuvor in Deutschland gelebt haben. "Wir wussten alle, dass Deutschland Ruheraum ist. Seit dem 11. September wissen wir, dass wir Vorbereitungsraum sind. Mich wundert, dass das keine Beunruhigung auslöst, dass wir Ausführungraum werden können." Nach dem 11. September "war die Bereitschaft groß, etwas zu tun, aber dann kam nur wenig heraus". Lehrmeister von Schily Wobei der als Hardliner bekannte CSU-Politiker den jetzigen Amtsinhaber Otto Schily, der mit seinen Positionen auch bei seiner SPD und den Grünen häufig aneckt, ausnimmt. "Der Schily wäre ja bei allem dabei. Ich nehme für mich in Anspruch, dass er bei mir in die Lehre gegangen ist." Biometrische Angaben wie Gesichtsvermessungen in deutschen Personalausweisen hält Schily dagegen "nicht für vordringlich". Dringenderen Handlungsbedarf sieht Beckstein im Bereich genetischer Fingerabdruck, mit dem vor allem Sexualstraftaten rascher aufgeklärt werden sollen: "Das könnten wir sofort machen. Wenn jemand als Busengrapscher oder Exhibitionist auffällig wird, kommen seine Fingerabdrücke in die Datei." Böses Graffiti Auch gegen so genannte Alltagskriminalität wie Graffiti will Beckstein schärfer vorgehen. "Ich will, dass man Leute bei Schmierereien auch mit Sonderfahndungen angeht oder Schulschwänzer mit der Polizei abholen lässt. Wenn jemand sechs bis acht Wochen nicht mehr in die Schule geht, dürfen wir nicht warten, bis er als Mitglied einer Jugendgang oder als Drogenkrimineller wieder in Erscheinung tritt." Spannend sei, ob der Koalitionspartner FDP mitziehe. "Das wird nicht einfach. Aber ich kann mir vorstellen, dass die FDP bei Graffiti mitzieht, weil die Wirtschaft auch nicht will, dass es wie in einem Saustall ausschaut." "Sind nicht die katholisch-soziale Union" Nicht antasten will er jedoch das Gesetz über die Zulassung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften: "Es gibt gesellschaftliche Änderungen, die wir auch zur Kenntnis nehmen müssen. "Wir sind doch nicht die Restauration in Deutschland." Zur Kritik der katholischen Kirche an der Nominierung von Katherina Reiche - ledig, zweifache Mutter - als Schatten-Familienministerin meint Beckstein: "Wir sind nicht die katholisch-soziale Union." Benes-Dekrete: Nein Ein klares Bekenntnis gibt es von Beckstein dagegen zur Aufhebung der Benes-Dekrete. "Vertreibung ist Unrecht. Das muss man eindeutig sagen." Er geht sogar noch einen Schritt weiter: "Wir wissen, dass wir Polen und Tschechen nicht finanziell überfordern können. Aber es muss schon so sein, dass ein Grundstück oder ein Haus restituiert wird. Wie das im Einzelnen gelöst wird, muss man sehen." Für Beckstein ist auch die Wahl trotz positiver Umfragen für CDU/CSU noch nicht gelaufen. "Viele Leute sagen: Rot- Grün hat Mist gebaut. Aber das heißt nicht, dass sie Union wählen." (DER STANDARD Print-Ausgabe, 3.9.2002)