Wien - FPÖ-Parteichefin Susanne Riess-Passer muss sich in Acht nehmen: Breite Teile der Parteibasis werfen sich für Altparteichef Jörg Haider in die Schlacht und formieren die Reihen: Sie wollen einen Sonderparteitag. Nicht nur die FPÖ Villach legt ihr gesamtes Gewicht in die Waagschale: Alle acht Delegierten zum Bundesparteitag haben mit ihrer Unterschrift kundgetan, dass sie einen Sonderparteitag, bei dem zum Thema "Steuerreform oder Abfangjäger" abgestimmt werden soll, wollen. Unterstützung erhalten sie dabei auch von Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn (siehe Interview ). Die mächtige FPÖ Oberösterreich bot am Montag gleich Linz als Tagungsort für einen Sonderparteitag an. Die "Zerreißprobe", vor der die FPÖ "stand oder noch steht", so Landeschef Hans Achatz, solle "mit einem Votum der Basis beendet werden" - ausdrücklich ohne Führungsdebatte. "Wir wollen einen Sonderparteitag", ließ auch die FPÖ Niederösterreich durch Landesparteisekretär Franz Marchat wissen. Mehr als die Hälfte der 96 Landesdelegierten hätten bereits unterschrieben. Ein prominenter Abgeordneter verweigerte aber: Exjustizminister Harald Ofner hält es für nicht "zielführend", "die Pferde mitten im Strom zu wechseln". Die Steirer, die sich zuletzt nicht eindeutig festlegen wollten, deklarierten sich am Montag dann doch: FP-Chef Leopold Schöggl zeigte sich überzeugt, dass "mit Sicherheit" genügend Stimmen für einen Sonderparteitag gesammelt werden und dass österreichweit die Stimmung unter den Freiheitlichen "generell in Richtung Jörg Haider läuft". Schöggl zum STANDARD: "Das hat etwas mit dem Urvertrauen in Jörg Haider zu tun. Die Funktionäre sagen sich, der Jörg wird schon wissen, was zu tun ist." Als Drahtzieher für die Unterschriftenaktion in der Steiermark wird ein Kreis rund um den Fürstenfelder Bezirksparteiobmann Harald Fischl vermutet. Klar gegen einen Sonderparteitag sprach sich FP-Generalsekretär Karl Schweitzer aus, die Zielsetzung sei ihm "nicht ganz klar". Meinungsverschiedenheiten sollten im Parteivorstand gelöst werden. Es war Jörg Haider selbst, der als Erster einen Sonderparteitag gefordert hat: Die im Frühjahr beim regulären Parteitag beschlossene Steuerreform 2003 könne nur durch einen Sonderparteitag außer Kraft gesetzt werden, nicht aber durch den Parteivorstand, auf den Parteichefin Susanne Riess-Passer immer verweist. Die Unterschriftenaktion dürfte aber eine Art "Selbstläufer" geworden sein - mit Folgen, die auch ihrem vermeintlichen Nutznießer Jörg Haider nicht zur rechten Zeit kommen dürften: In den der Parteichefin treuen Kreisen wird gemutmaßt, dass Haider erst nach der (aus derzeitiger Sicht schwierigen) Niederösterreich-Wahl im nächsten Frühjahr ernsthaft die Machtfrage stellen könnte; wenn der Parteitag jetzt zustande käme, würde das wenig bringen. Mit entsprechendem Selbstbewusstsein geht Riess-Passer in die heutige Sitzung des Parteivorstands: Sie erwarte "Unterstützung für unseren Weg in der Bundesregierung", wobei das Ergebnis deutlich ausfallen müsse: "50 Prozent sind sicher zu wenig." Unterschriftensammeln sei ein "legitimer, statutenmäßiger Vorgang" - die Folgen hätten die Initiatoren zu verantworten. (nim, cs, pm, mue/DER STANDARD, Printausgabe, 3.9.2002)