In der schwelenden Irak-Krise stimmen die EU-Außenminister zumindest so weit überein: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt möchte niemand militärische Gewalt einsetzen - auch die Briten nicht. Mit dieser Haltung traten die Vertreter der EU-Staaten am Wochenende bei ihrem informellen Treffen im dänischen Helsingör dem Drängen der Falken um US-Präsident George W. Bush entgegen, die einen raschen Waffengang gegen den Irak befürworten. Auf ein mittelfristiges Konzept konnten sich die EU-Länder aber nicht einigen.Die aktuelle EU-Haltung fasste nach dem Treffen Dänemarks Außenminister Per Stig Möller, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, zusammen: "Es ist nötig, dass der Irak die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats befolgt. Wir bestehen auf dem uneingeschränkten Zugang der Waffeninspektoren. Und es liegt beim Sicherheitsrat, Schritte zu überlegen, wenn die Inspektoren nicht hineindürfen." Österreichs Außenministerin Benita Ferrero-Waldner meinte am Rande des Treffen gar, es sei "notwendig, dass die USA den Verbündeten Beweise über den Entwicklungsstand der irakischen Massenvernichtungswaffen gibt". Keine Einigung wurde in Helsingör darüber gefunden, was die Europäer im Falle eines Angriffs tun würden. Die am Wochenende gefundene Position deckt sich primär mit den diplomatischen Interessen des ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieds Frankreich. Der Pariser Außenminister Dominique de Villepin betonte denn auch, es sei "nötig, dass der Sicherheitsrat die Lage prüft." Mit Blick auf das Problem, ob die alten UN-Resolutionen gegen den Irak von 1991 schon als Basis für einen Militärschlag reichen und nur "interpretiert" werden müssen oder ob der Sicherheitsrat einen neuen Beschluss fassen muss, meinte de Villepin: "Es reicht nicht, dass er nur darüber diskutiert: Er muss seine Verantwortung wahrnehmen." Ob auch London dieser Ansicht ist, blieb unklar. Großbritannien vertrat, was eine mögliche militärische Option betrifft, in Helsingör den einen Extremstandpunkt. Außenamtschef Jack Straw gab zwar vorerst den Versuch auf, seine EU-Kollegen davon zu überzeugen, dass man Saddam Hussein ein Ultimatum stellen müsste, damit er die UN-Inspekteure wieder ins Land lässt. Er ließ aber deutlich werden, dass dies - und militärische Gewalt als letztes Mittel - für Großbritannien eine Perspektive bleibe. Vor einem Angriff zumindest ein Ultimatum zu stellen, das empfiehlt, der britischen Zeitung Sunday Telegraph zufolge, der britische Premier Tony Blair aber den USA. Außerdem habe er Washington von einem militärischen Alleingang abgeraten. Das andere Extrem vertrat in Helsingör der deutsche Grünen-Wahlkämpfer und Außenminister Joschka Fischer. Während seine Regierung in der Heimat jede Beteiligung Deutschlands an einem Irak-Feldzug ausschließt, erläuterte Fischer den EU-Kollegen, warum die Militäraktion mehr schade als nutze. Unter anderem werde sie angesichts der mangelnden Unterstützung in der Region eine langjährige Militärpräsenz nötig machen. Fischer befürchtet gar eine Destabilisierung der Region. Nahostkonflikt Hinter verschlossenen Türen herrschte unter den Ministern offenbar Einmütigkeit in einem Punkt: dass das Irak-Problem nicht unabhängig vom Nahostkonflikt betrachtet werden könne. Konsequenter- weise einigten sie sich auf den Fahrplan der dänischen EU-Ratspräsidentschaft für eine mögliche Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern. Nach diesem Plan, den die Dänen im Laufe dieser Woche den arabischen Staaten vorstellen wollen, würden die Palästinenser nach demokratischen Wahlen schon 2003 formell und spätestens 2005 einen eigenen Staat bekommen. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.9.2002)