Heute walten hilfreiche Engel in der Bognergasse. Sogar wenn es nicht um Medizinisches geht, sind die Apothekerinnen gleich eifrig bei der Sache, suchen jenen Zettel mit der Geschichte "ihres" Hauses und der Apotheke "Zum Weißen Engel".

Denn diese Apotheke ist schon seit dem 16. Jahrhundert bekannt, wechselte aber des Öfteren den Standort. Heuer ist es genau 100 Jahre her, dass sie in dieses damals neu errichtete Haus übersiedelte. Es ist mit seinem prächtigen Jugendstilportal eines der wenigen Wiener Gebäude des Otto-Wagner-Schülers Oskar Laske.

Diesen Zettel suchen und suchen sie. Ja, die Apothekerinnen in der Bognergasse passen zum "weißen Engel" auf dem Schild.

Dabei ist die Bognergasse zwar nach den hier früher ansässigen Bogen- und Pfeilmachern benannt; der Legende nach aber nach der Frau eines Bogners, die das glatte Gegenteil dieser Freundlichkeit war. Die führte ein anderes Regiment, diese sagenhafte "Bognerin".

So schrecklich war die, dass sich ihr Ehemann gar an den Teufel wandte, ob der nicht sein "böses Weib" zähmen könne. Der etwas eitle Gottseibeiuns glaubte erst, die Bognerin in Gestalt ihres Gatten verführen zu können - aber da geriet er an die Falsche. Die Frau beschimpfte und verprügelte ihn derart, dass er verstört mit blauen Flecken abzog. Beim zweiten Versuch wurde dem Leibhaftigen ein Kessel Suppe über den Kopf geschüttet. Selbst als der Höllenfürst beim dritten Anlauf in eigener Gestalt auftrat, bezog er Prügel und die Bognerin brach ihm ein Horn ab.

In der Sage heißt es, dass die Seele des Bogners gerettet war, "aber sein weiteres Leben war die Hölle". Erst der Tod habe ihn "von seinem furchtbaren Dasein erlöst". Er kam direkt in den Himmel, da er seine Sünden schon auf Erden abgebüßt habe.

Und als die Bognerin starb, da verschloss der Teufel schnell das Höllentor, als er sie kommen sah. (Roman Freihsl/DER STANDARD, Printausgabe, 31.8./1.9.2002)