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Reinhard K. Sprenger
"Vetrauen führt"
Campus Fachbuch 2002
25,60 € / 260 Seiten

Dass er gerne wider den Stachel löckt, dafür ist Reinhard K. Sprenger bekannt. Die Botschaften des Beraters sind ungefällig - er wettert gegen alles, was Kollegen, aber auch Personalverantwortliche und Strategen lieben. So hob er in seinem vor ein paar Jahren erschienenen Buch all die Schlagworte vom Sockel, die von fast der gesamten Management-Welt wie ein Denkmal angebetet wurden: Egal ob es um 360-Grad-Feedback, Unternehmertum im Unternehmen, Teamarbeit, Trainings oder Zielvereinbarungen geht - alles nur sehr beschränkt brauchbar, sagt Sprenger.

Scheinsicherheit

Jetzt ist der Autor der meistverkauften Management-Bücher in deutscher Sprache mit einem neuen Werk da: "Vertrauen führt", so heißt das 192-Seiten-Opus (Campus-Verlag, 24,90 Euro). Mehrfachautor Sprenger sagt zu seiner Arbeit: "Mein wichtigstes Buch bisher." Seine These: Viele Übel und die von Beratern und Managern dafür entwickelten Therapeutika sind auf einen einzigen Ursprung zurückzuführen: den Mangel an Vertrauen.

Ob angesichts von Management-Pleiten nicht mehr Kontrolle statt mehr Vertrauen nötig sei, diese Frage verneint Sprenger: "Mehr Kontrolle bewirkt nur Scheinsicherheit. Wir geben uns das Gefühl, etwas getan zu haben." Aber wer genauer hinsehe, erkenne: Jedes Mehr an Kontrolle führe dazu, dass Menschen erfindungsreicher werden, sie zu umgehen.

Überwachung tauge deshalb nicht als Mittel, um Führung besser zu machen, sagt der in Essen und New Mexico lebende Berater. Seine Gegenforderung: Wagt mehr Vertrauen! "Nur wenn Menschen einander vertrauen, arbeiten sie schnell, kostengünstig und kreativ zusammen. Ohne Vertrauen ist kein Unternehmen zukunftsfähig." Im Innenleben einer Organisation sollten Kooperation und Wissensteilung die Arbeit bestimmen.

Seine Kritik: Vertrauen wurde oft durch Ökonomisierung abgelöst, die er für übertrieben hält. Als Anzeichen für das, was in vielen Organisationen vor sich geht, nennt Sprenger das Beispiel Hotelbuchung: "Wenn man vor zehn Jahren per Telefon ein Hotel gebucht hat, ging das rein nach Vertrauen. Es wurde einfach so akzeptiert, ohne Nachfrage." Heute sei dieses Vertrauen weg. Viele Hotels verlangten eine Kreditkarten-nummer schon am Telefon. An diesem Vorgang erkennt Sprenger: "Vertrauen wurde abgelöst durch zu kurz gedachte Ökonomie."

Solche Misstrauenskultur sei weit verbreitet: Viele Unternehmen wurden zu einer Flotte von kleinen Profitcentern. Das Marktmodell werde auf die kleinste Einheit in der Organisation heruntergebrochen. "Jeder Mitarbeiter ist zu einer Firma in der Firma gemacht worden", so Sprenger, "jedem Arbeitsplatz seine Gewinn- und Verlustrechnung." All das solle Anreize schaffen, motivieren - und alles nachrechenbar machen, sagen Befürworter des Profitcenter-Modells. Die Folge aber: Menschliche Beziehungen reduzieren sich auf das Geschehen im Betriebsabrechnungsbogen. Allgegenwärtige Konkurrenz habe Vertrauen abgelöst.

Sprenger ruft dazu auf, die Misstrauensrituale abzuschaffen. Sein Argument: "Wiederherstellung des Vertrauens bewirkt mehr als hundert Motivationsprogramme." Er fordert die Manager dazu auf, nicht alles vorbestimmen zu wollen: "Nicht immer so penibel kontrollieren."

Alle Abmachungen, die im Geschäftsleben getroffen würden, ob Verträge oder Zielvereinbarungen, seien ohnehin unvollständig. Das aber sei eine Chance - und kein Mangel, sagt Sprenger: "Keine Befehlskette ist geschlossen genug, keine Überwachung hermetisch genug, als dass man auf Vertrauen verzichten könnte. Der gewährte Ermessensspielraum ist ein Signal: ,Ich vertraue dir, dass du den richtigen Weg finden wirst.' Solche Spielräume sind wichtige symbolische Handlungen für mehr Vertrauen in einer Organisation." (Axel Gloger/DER STANDARD, Printausgabe, 31.08/1.09. 2002)