Auf Schloss Raabs an der Thaya verwandelt sich das diesjährige Poetenfest in eine Achternbusch-Hommage vom Feinsten: Mit Ausstellung, Theater und Filmuraufführung.Raabs/Thaya - "Solang etwas, was den Menschen betrifft, logisch bleibt, ist es oberflächlich", schrieb Herbert Achternbusch schon in einem seiner frühesten Romane, der 1971 bei Suhrkamp erschienenen Alexanderschlacht . Eine Antilogik, der der Filmemacher, Autor und Maler, wie vielem und vielen in seinem Leben - nicht zuletzt sich selbst -, treu blieb. Zumal in seiner Kunst. Die Befreiung von den engen Kausalschnüren des Logos und anderer normativer Instanzen ermöglichte das Schweifen einer Fantasie, die sich hartnäckig weigert, an die vorgegebenen Autobahnen künstlerischer Wahrnehmung angeschlossen zu werden, und lieber auf entlegenen Seitenstraßen ihre Funde macht. So ist es alles andere als ein Zufall, dass der in Bayern Geborene, in Bayern Wohnende in den vergangenen Jahren ausgerechnet im kleinen niederösterreichischen Weitra einen künstlerischen Ankerplatz entdeckte. Der Verleger Richard Pils, wie Achternbusch mit ausgeprägtem Eigenwillen gesegnet, hat sich seit einigen Jahren des über die gesamte deutsche Verlagslandschaft von Suhrkamp über S. Fischer bis Hanser gestreuten Schrift-Oeuvres des nicht eben als harmoniesüchtig verschrieenen Autors angenommen. Im vergangenen Herbst erschien mit der Alexanderschlacht , einem kiloschweren Ziegel von Buch, in Pils' Verlag "Bibliothek der Provinz" Teil eins einer geplanten Gesamtausgabe. Vor wenigen Wochen gab er das neueste Achternbusch-Werk heraus: Ist es nicht schön zu sehen wie den Feind die Kraft verlässt - wie viele Achternbusch-Bücher eine Art verfremdetes öffentliches Tagebuch, zusammengesetzt aus Dramoletten, offenen Briefen, Dankesreden und anderen Texten der letzten drei Jahre.

Zeitgleich, im vergangenen Oktober, eröffnete der Intendant Frank Baumbauer seine Münchner Intendanz an den Kammerspielen mit der Uraufführung eines Achternbusch-Werks, mit Daphne von Andechs, und gedachte damit seines einstigen unrühmlichen Abgangs als Intendant des gegenüberliegenden Residenztheaters: Dort nämlich hatte er einst seine Laufbahn aufgrund eines Achternbusch-Satzes vorzeitig beenden müssen: "Der letzte Terrorist ist mir lieber als der erste von der CSU" ließen Baumbauer und Achternbusch durch den Mund Sepp Bierbichlers künden. Was einer CSU, die Jahre zuvor bereits des Mit-Bayern Film Das Gespenst auf den Index gesetzt hatte, in einem der bayerischen Staatsregierung unterstellten Theater nicht ideal schien. (Heute, auf der anderen Seite der Straße, agiert Baumbauer in einer Bühne der Stadt - und dort dominiert die SPD).

Gleichfalls abseits der zunehmend gleichgeschalteten Kulturhighways, fern von Salzburg, München, Berlin oder Wien, in Raabs an der Thaya, ist nun dieses Wochenende eine einzigartige Werkschau neuester Achtern-busch-Produktionen zu sehen. Das allsommerlich stattfindend dreitägige "Poetenfest" der Bibliothek der Provinz auf Schloss Raabs an der Thaya verwandelt Richard Pils heuer in eine Achtern-busch-Hommage der allerfeinsten Art: Auf der Bühne der Arena werden Samstagabend Sepp Bierbichler und Michael Tregor Daphne spielen, eine adaptierte Version des Kammerspiel-Eröffnungsstücks. Vorher lesen Barbara Gass und Michael Tregor das Dramolett Stefanie und Moses.

Für die cineastische Fangemeinde des Unberechenbaren liegt der Höhepunkt des Wochenendes jedoch an dessen Anfang: Am heutigen Freitagabend eröffnet nicht nur die Ausstellung Ab nach Tibet mit malerischen Werken Achternbuschs und seiner Tochter Naomi Semiramis. Im Burghof wird zudem sein jüngster Film präsentiert: Das Klatschen der einen Hand.

Nach über vierjährigem Schweigen und weiterhin ohne Subventionen der deutschen Filmförderungsstellen hat Herbert Achternbusch seinen achtundzwanzigsten Film in achtundzwanzig Jahren realisiert: einen in klassischer Stummfilmästhetik gearbeiteten Dreiakter, gedreht auf Super 8 und aufgeblasen auf 35 Millimeter.

"Das Leben ist kurz", der Satz durchzieht wie ein Mantra die sommergesättigten Farbbilder, die wie gewohnt jede stringente Erzähllogik unterlaufen. Immer wieder zeitlupenverlangsamt, bieten sie eine ebenso eigenwillige wie befreiende Meditation über das Dasein der Menschen, der Steine, des Spiels, der Zangen und der Frösche. Wie der Inhalt lautet? Das Leben ist zu kurz, um überflüssige Fragen zu stellen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.8.2002)