Alex de la Iglesias "Allein unter Nachbarn / La Comunidad" erzählt von einer Maklerin, die sich in ein Haus voller verrückter Kleinbürger verirrt - eine spanische Filmsatire auf Mietervereinigungen und Spießbürgermoral mit den Mitteln des Horrorfilms.


Wien - Nachbarn kann man sich nicht aussuchen. Jeder Wohnungswechsel ist daher mit dem Risiko verbunden, ein Nahverhältnis mit jemandem eingehen zu müssen, den man womöglich nie kennenlernen wollte. Das Kino hat sich dieser Form falscher Intimität bereitwillig angenommen und sie noch zusätzlich dämonisiert - am unheimlichsten geriet sie vielleicht in Roman Polanskis Der Mieter: Da wurde sie zu reiner Paranoia.

Auch La Comunidad / Allein unter Nachbarn, inszeniert vom Spanier Alex de la Iglesia (Perdita Durango), folgt diesem Prinzip, wendet es jedoch ins Groteske. Die Immobilienmaklerin Julia (Carmen Maura) übernachtet in einer voll möblierten Madrider Wohnung, die sich schwer vermitteln lässt. Dabei deckt sie zufällig auf, dass der Mieter über ihr seit Wochen verstorben ist - und findet bei ihm Säcke voller Geld, die sie nun unbemerkt aus dem Haus schaffen will.

Ein Vorhaben, das sich allerdings schwierig gestaltet, da die restliche Hausgemeinschaft von dem Vermögen weiß und eine verschworene Einheit gebildet hat - mit dem Ziel, dieses einmal untereinander aufzuteilen. Julia sieht sich alsbald von einer Horde habgieriger Kleinbürger umstellt, gleichzeitig ist sie gefangen in einem an sich offenen Wohnhaus.

La Comunidad sucht das (komische) Grauen in der Fratze des Alltäglichen - schon der Altbau wird wie ein partiell von Krankheit befallener Organismus inszeniert. Seine Bewohner - entweder schwere Neurotiker, boshafte Weiber oder falsche Verführer - sind zwar karikaturenhaft überzeichnet, hinter ihrem Wahnsinn versteckt sich jedoch die Mittelmäßigkeit.

De la Iglesia vereint Elemente der Komödie und des Horrorfilms, wobei die anfangs noch skurril wirkenden Vorgänge im Haus immer bedrohlichere Züge annehmen, weil die Zweckgemeinschaft mit immer drastischeren Mitteln gegen den Eindringling - den Maura mit viel Verve verkörpert - vorgeht.

Man mag in La Comunidad surreale Techniken erkennen, de la Iglesia ist es jedoch nie richtig ernst mit seinen Zitaten, sie verweisen letztlich nur auf seine persönlichen Vorlieben. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass er noch mehrfach die Tonart wechselt und die Groteske allmählich in eine Horrorfarce mündet. Bilder sublimen Terrors - Julia, die die Hausbewohner dabei ertappt, als sie gemeinsam ihre Wohnung durchstöbern - weichen handfesten Auseinandersetzungen, bei denen dann auch genügend Blut fließt.

Die Wendung ins Brachiale schadet La Comunidad jedoch nicht, weil de la Iglesia das aktionistische Geschehen besser beherrscht als die Ausmalung sozialer Verhältnisse. Mit dem Finale, einer Verfolgungsjagd hoch über den Dächern von Madrid, erweist er schließlich noch kühn Hitchcock seine Reverenz. Auch diese Sequenz ist - wie schon der an Saul Bass angelehnte Retro-Vorspann des Films - durchaus gekonnt in Szene gesetzt, zugleich aber ein wenig eitel und vordergründig. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.8.2002)