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Gentoo Linux 1.2

Linux Distributionen gibt es zahreiche - Distrowatch listet immerhin 88 davon auf - und alle paar Wochen kommt eine neue dazu. Nichts weiter ungewöhnliches also, als Ende März die Version 1.0 von Gentoo Linux der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Doch schnell war klar, dass Gentoo nicht einfach eine weitere Linux-Distribution ist. Innerhalb von nur zwei Wochen schaffte es Gentoo unter die Top 10 der beliebtesten Linux-Distributionen auf Distrowatch - die User- und Entwicklerbasis wächst seitdem mit gehörigem Tempo. Dem ganzen Rummel konnte sich dann natürlich auch der eine oder andere Webstandard-Redakteur nicht entziehen, was den folgenden Testbericht beinahe schon zur Folge haben musste.

Grafik: Archiv

Installation

Getestet wurde die aktuelle - stabile - Version 1.2 von Gentoo Linux, die als ISO-File von der Seite der Entwickler heruntergeladen werden kann, die kleinste Variante umfasst dabei lediglich 16 MB und ist somit - gerade im Vergleich zu anderen Distributionen - recht schnell am heimischen Computer. Dies rührt daher, dass Gentoo ein anderes Konzept als die bekannten "grossen" Linux-Distributionen verfolgt: Es gibt hier kein vorkonfiguriertes System, dass einfach nur mehr auf die Festplatte kopiert wird, der/die UserIn baut Gentoo von Grund neu auf. Die benötigte Software wird bei Bedarf aus dem Internet geladen und anschliessend aus den Sourcen kompiliert, was speziell für den eigenen Rechner optimiertete und somit schnellere Programme ergibt.

Screenshot: derstandard.at

Los gehts

Doch beginnen wir einmal mit einer Installation des Systems. Hier zeigt sich gleich, dass Gentoo nicht unbedingt an AnfängerInnen gerichtet ist, eine einfache grafische Installation gibt es nämlich - noch - nicht. Allerdings gibt es einen sehr guten Installations-Guide, der die notwendigen Schritte ausführlich beschreibt. Von der CD gebootet müssen erstmal die notwendigen Treiber geladen und ein paar grundlegend Einstellungen - vor allem für die Internetverbindung - vorgenommen werden, danach folgt der Teil der wohl den meisten UserInnen Kopfzerbrechen bereiten wird: Die Partitionierung mittels fdisk. Wem diese zu kompliziert ist, der kann diese natürlich bereits vorher mit einem komfortablen grafischen Tool wie Diskdrake oder Partition Magic vornehmen.

Screenshot: derstandard.at

Entscheidend

Dann folgt die Entscheidung, wie grundlegend das System neu kompiliert wird. Gentoo bietet hier 3 verschiedene Stufen auf der CD an. Während in der kleinsten Variante sogar der C-Compiler neu erzeugt wird, verkürzt die Stufe 3 die Zeit zum fertigen Gentoo Linux doch erheblich, da sie ein bereits fertigkompiliertes Basissystem enthält. Für UserInnen, die wirklich das letzte Quentchen Geschwindigkeit aus ihrem Rechner heraushohlen wollen, kann die Antwort natürlich nur sein alles von Grund auf aufzubauen, also heisst das Motto des folgenden Tages: Geduld. Denn sowas benötigt seine Zeit, je nach Prozessorgeschwindigkeit mehrere Stunden.

Screenshot: derstandard.at

Einrichtung

Danach folgt noch die Auswahl und Einrichtung eines eigenen Kernels, der bei Gentoo auch recht nette Extras wie spezielle - noch nicht offizielle - Patches, die die Performance des Systems verbessern, enthält. Noch ein paar weitere Konfigurationsschritte und nach einem Reboot landet der/die UserIn zum ersten Mal im neuen Gentoo Linux-System. Hier zeigt sich gleich eine der grossen Stärken der Gentoo-Herangehsweise: Die Bootzeit ist im Gegensatz zu gängigen Linux-Distributionen um einiges kürzer, selbst bei einem voll ausgerüsteten System, samt Web-, FTP, SSH und anderer Services beträgt die Bootzeit nur in etwa die Hälfte bis ein Drittel (!) der Zeit, die Mainstream Linux-Distributionen wie SuSE oder Mandrake benötigen.

Screenshot: derstandard.at

Ursachen

Dieser Umstand hat vor allem zwei Gründe: Einerseits werden wirklich nur die Services installiert und gestartet, die der/die UserIn wirklich benötigt, andererseits ist der Kernel bei weitem nicht so überladen, wie bei anderen Distributionen, deren Linux-Kern Treiber für alle mögliche und unmögliche Hardware enthält, die auf dem eigenen System niemals benötigt werden.

Screenshot: derstandard.at

Text

So eine Kommandozeile ist zwar schon mal was nettes, die meisten UserInnen werden es aber trotzdem vorziehen weitere Software - wie einen der zahlreichen Window Manger von Fluxbox bis KDE und Gnome - zu installieren. Und hier kommt eine der weiteren grossen Stärken von Gentoo ins Spiel: Das Paketverwaltungssystem Portage, dass sich an das vielgepriesene Ports-System von FreeBSD anlehnt, und im Vergleich zu dem vorherrschenden RPM-System ein lange Reihe von Vorteilen bietet. Die Installation einer bestimmten Software geht vollkommen unkompliziert von statten. Ein einfaches 'emerge gnome' kompiliert zum Beispiel den gesamten GNOME 2-Desktop, um alle benötigten Abhängigkeiten kümmert sich Portage, so wird ein eventuell noch nicht installierter X-Server gleich dazu installiert, mit 'emerge -p gnome' lässt sich im Vorhinein anzeigen, welche Pakete dies sein werden.

Screenshot: derstandard.at

Grafisches

Nun folgt die unvermeidliche Frage, wie aktuell denn so ein neues Gentoo-System ist, die Antwort ist einfach: So aktuell wie nur irgend möglich. Da die Beschreibungen der Pakete aus dem Internet geladen werden und nicht von einer CD kommen, werden immer die aktuellsten von Entwicklern erstellten sogenannten "ebuilds" verwendet. Auch das spätere Updaten des Systems verläuft einfach: Mittels 'emerge rsync' werden die Beschreibungen der installierbaren Pakete auf den heimischen Rechner geladen, ein folgendes 'emerge --update world' kompiliert die aktualisierten Pakete. Mittlerweile gibt es für die kommandozeilenfaulen UserInnen auch ein grafisches Tool, dass all diese Wartungsaufgaben übernimmt.

Screenshot: derstandard.at

Das Fazit...

...lässt sich in ein Wort zusammen fassen: Begeisterung. Nicht nur, dass es wirklich Spass macht - und äusserst lehrreich ist - sein eigenes Linux von Grund auf aufzubauen, das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen: Die Bootzeit ist ungeschlagen schnell, die Performance spürbar besser als bei anderen Distributionen. Und dieser Vorsprung wird schon bald noch grösser, wenn die auf der neuen Compilergeneration gcc 3.1 basierende Version 1.4 von Gentoo erscheinen wird, da mit dieser auch spezifische Optimierungen für Pentium 4 und Athlon XP möglich sind. Für AnfängerInnen ist Gentoo nicht wirklich geeignet, zu viele Einstellungen müssen händisch vorgenommen werden, zu kompliziert ist die Installation. Für geübte Linux-UserInnen ahingegen, die ein wirklich optimiertes und ständig aktuelles System wollen, ist Gentoo beinahe ein Muss. (apo)

Screenshot: derstandard.at