Andreas Babler hat seinen Plan für Österreich in 24 Projekte gegossen.
APA/FLORIAN WIESER

Am Beginn steht das Herz. Wer Andreas Bablers Ideensammlung durchblättert, der sieht gleich einmal, wie er die Hand auf die linke Seite der Brust legt. Die Aufnahme stammt aus dem ORF-Sommergespräch vom vergangenen Jahr. Mit einer Geste sollte der SPÖ-Chef zeigen, wofür er politisch steht.

Ist es bezeichnend, dass vom damaligen Auftritt vor allem eine wortlose Szene in Erinnerung blieb? Dass bei Babler die Symbolik stärker als der Inhalt sei, sollen die folgenden 70 Seiten widerlegen. In 24 Projekte hat die SPÖ gegossen, was der von ihr einberufene "Expert*innenrat" ausgearbeitet habe. Hier ist gemäß Bablers Slogan also das Hirn verpackt.

Nicht alles davon wird der aufmerksame Politikkonsument zum ersten Mal hören. Manches ist altbekannt, aber mitunter etwas konkreter skizziert als bisher. Den Verdacht der Träumerei soll der Verweis auf Best Practice-Modelle ausräumen – von Skandinavien bis Traiskirchen.

Wohnen: Den Auftakt macht ein Klassiker aus dem roten Repertoire. Bis Ende 2026 sollen sämtliche Mieten eingefroren werden, die Erhöhung von 2023 sei rückgängig zu machen. Die Zinsen für Wohnbaukredite dürften für die ersten 300.000 Euro nicht mehr als drei Prozent ausmachen, was die Banken aus ihren "Übergewinnen" finanzieren sollen. Zumindest die Hälfte von neuem Bauland müsse in den Ballungszentren für gemeinnützigen und ökologischen Wohnbau zur Verfügung stehen.

Sparbuch: Mindestzinsen soll es hingegen für Sparer geben. Die Banken sollen gebührenfreie Sparprodukte anbieten, das für die ersten 20.000 Euro eine Verzinsung in Höhe des Einlagenniveaus bei der Europäischen Zentralbank minus ein Prozent vorsieht. Damit sei ein Mindestniveau von derzeit drei Prozent garantiert. Weitere "Garantie": Das Bargeld werde nicht abgeschafft.

Facharzttermin in 14 Tagen: Die SPÖ skizziert, wie sie sich diesen schon seit längerem ventilierten Plan vorstellt. Bekommen Patienten nach Zuweisung eines Hausarztes auf eigene Faust nicht binnen zwei Wochen den begehrten Termin, sollen sie sich an die Hotline 1450 wenden, die diesen dann organisiert. Wahlärzte sollen eingeladen werden, einzuspringen. Sind zu wenige bereit, müsse sie das Gesetz dazu verpflichten.

Gleichberechtigung: Leistungen wie kostenlose Periodenprodukte für sozial Bedürftige oder eine gratis Säuglings-Erstaustattung wie in Finnland sollen dafür sorgen, dass Frauen in der Gesundheitsversorgung nicht auf höheren Kosten sitzenbleiben, Verhütungsmittel sollen von der Gesundheitskasse bezahlt werden. Auf der Einkommensseite fordert die SPÖ ein Lohntransparenzgesetz, das Strafen bei ungleicher Bezahlung vorsieht. Vorbild ist hier Island, wo Unternehmen Lohndiskrepanzen von mehr als fünf Prozent in der gleichen Berufsgruppe korrigieren müssten.

Mehr Polizei: In einem "ersten Schritt" soll das Personal um 4000 zusätzliche Kräfte ausgebaut werden. Darüber hinaus brauche es "harte Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen" – etwa Fußfessel für Gewalttäter, gegen die ein Betretungsverbot vorliegt.

Ältere Menschen: Dass sich die SPÖ zur Anwältin des öffentlichen Pensionssystems erklärt, liegt in der Natur der Sache. Zugute kommen soll Senioren aber auch eine Garantie auf ein analoges Leben. Sprich: Ein Verbot von höheren Gebühren, wenn Kunden Rechnungen oder anderen Aktionen nicht digital, sondern per Papier abwickeln. In den Gemeinden sollen sich "Community Buddies" speziell um die Anliegen der Senioren kümmern. Zum Treffpunkt sollen von Langzeitarbeitslosen betriebene "Österreich-Cafés" werden.

Jobs und Integration: Die SPÖ will mit einer Reihe von Projekten nicht nur die Langzeitarbeitslosigkeit "abschaffen", sondern auch ein von der einstigen türkis-blauen Regierung beseitigtes Modell wieder einführen: Unter dem Titel "Integrationsjahr" sollen Flüchtlinge unter der Anleitung des Arbeitsmarktservices massiert Sprachkurse, Qualifikationsmaßnahmen und andere Module durchlaufen.

Arbeitswelt: Die ausführlich proklamierte und diskutierte Arbeitszeitverkürzung auf eine Vier-Tage-Woche darf naturgemäß nicht fehlen. Ein für die SPÖ nicht selbstverständlicher Akzent ist aber der Einsatz für Selbstständige: So sollen diese etwa beim Arzt keine Selbstbehalte mehr zahlen müssen und Anspruch auf sofort ausgezahltes Krankengeld ab dem 4. Tag haben. Derzeit gibt es nur einen rückwirkenden Anspruch, wenn 43 Tage Arbeitsunfähigkeit vorliegen.

Medien: Die SPÖ identifiziert Fake News als große Gefahr für die Demokratie. Als Gegenmittel will sie Zeitungsabos für alle 16- bis 30-Jährigen fördern. Konkret soll der Staat Kosten von bis zu 150 Euro pro Jahr übernehmen.

Kinder: Passend zu den aktuellen Daten der Statistik Austria, wonach die Armut nicht nur gestiegen, sondern unter Minderjährigen auch überrepräsentiert ist, untermauert die SPÖ ihren Ruf nach einer Kindergrundsicherung. Das weitere Potpourri an Maßnahmen umfasst einmal mehr verschiedene "Garantien": Vom gratis Kindergartenplatz über ein warmes, gesundes Mittagessen in den Betreuungseinrichtungen und Schulen bis zur freien Fahrt für Kinder und Jugendliche in öffentlichen Verkehrsmitteln im ganzen Land.

Steuern: Gehe es nach ihm, würden 98 Prozent der Menschen weniger Geld ans Finanzamt abliefern, verspricht Babler, möglich machen soll das eine Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer. Zu den zwei Prozent zählen all jene, die seine mit Freibeträgen von einer Million aufwärts versehene Millionärs- und Erbschaftssteuer zu berappen hätten. Geld soll auch aus der Schließung von Steuerlücken, der Wiederanhebung der Körperschaftssteuer für Unternehmen sowie einer Umwidmungsabgabe fließen. Letztere soll jenen Wertgewinn, der aus der Widmung von Grundstücken in Bauland resultiert, zu 90 Prozent abschöpfen.

Bablers Programm beinhalt noch andere mehr oder minder konkret unterlegte Bekenntnisse: Von der Förderung grüner Technologie bis zum Einsatz für das Tierwohl, vom Schutz des Wassers bis zum Bahnausbau. Was hingegen fehlt: Eine konkrete Aufstellung, wieviel die einzelnen Wohltaten kosten sollen. (Gerald John, 27.4.2024)