Gastbeitrag: Franz-Josef Lackinger

Türschild mit der Aufschrift
Anstatt sich nach neuem Personal umzuschauen, sollten Firmen lieber ihren Blick nach innen – auf ihre bestehende Belegschaft – lenken.
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Seit Jahren wirkt es wie ein unverrückbares Naturgesetz: Egal ob Bullen- oder Bärenmarkt – Österreichs Unternehmen beklagen ihre Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifiziertem Personal. Nach 87 Prozent im Vorjahr gaben zuletzt 82 Prozent der befragten Unternehmen an, dass es ihnen schwerfalle, neue und ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden.

Das ergab eine Befragung des Beraterhauses EY unter rund 600 Verantwortlichen von mittelständischen Unternehmen mit 30 bis 2.000 Beschäftigten. Schuld seien der demografische Wandel, das Bildungssystem, globale Entwicklungen und dass Österreich weniger erfolgreich darin sei, qualifizierte Zuwanderer anzulocken, als etwa die nordischen Staaten.

Zugegeben: Das Suchen, Finden und dann auch noch Halten der passenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist eine komplexe Angelegenheit, die nicht nur von einem Faktor abhängt. Fakt ist jedoch auch, dass ein anhaltendes Nicht-fündig-Werden Auswirkungen auf das einzelne Unternehmen, aber auch die gesamte Wirtschaft hat und langfristig das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit eines ganzen Landes beeinträchtigt. Da kann und darf man schon kurzfristig zum Lamento – zum Klagelied – ansetzen.

Strategie wechseln

Doch während viele Organisationen das Problem lediglich beklagen und sich primär auf äußere Einflüsse konzentrieren, gibt es eine effektivere Herangehensweise: Das Re- und Upskilling der bestehenden Belegschaft – also die Aufmerksamkeit auf das Potenzial der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu lenken und diese gezielt durch Schulung und Weiterbildung weiterzuentwickeln.

Dass diese Strategie effektiver ist als das ewige Klagen über Misserfolge im Recruiting, ist eine "No-na-Aussage". Aber die Schulung des bestehenden Teams hat gravierende Vorteile im Vergleich zum mühsamen Anheuern neuen Personals.

Zunächst einmal ist die Investition in Schulungs- und Weiterbildungsprogramme für bestehende Mitarbeiter in der Regel weit kostengünstiger als die Suche, Einstellung und Einarbeitung neuer Talente – hohe Umwegrentabilität inklusive. Denn das Up- und Reskilling bestätigt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass ihre Entwicklung und ihr Wohlergehen für das Unternehmen von Bedeutung sind – und stärkt so Mitarbeiterbindung und Engagement.

Mit Anforderungen wachsen

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zeitersparnis. Viele haben immer noch das verquere Bild im Kopf, dass Aus- und Weiterbildung zu lange dauern. Während es aber Wochen oder Monate dauern kann, die richtige externe Fachkraft zu finden, einzustellen und in die betriebsinternen Abläufe einzugliedern, können interne Schulungsprogramme sehr flott implementiert werden.

Dank neuester Lerntechnologien – Stichwort E-Learning – kann die Schulung sogar nahtlos in den Arbeitsalltag eingebunden werden. Das ermöglicht es Unternehmen, sich schnell an veränderte Anforderungen anzupassen und flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren. Die interne Entwicklung von Talenten bietet auch die Möglichkeit, spezifische Fähigkeitslücken gezielt zu schließen, und stellt sicher, dass die Belegschaft über die Kompetenzen verfügt, die für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens erforderlich sind.

Würde das nicht schon als Argument für das gezielte Schulen der eigenen Belegschaft sprechen, stellen Unternehmen mit gezielten Weiterbildungsmöglichkeiten sicher, dass sie über ein kompetentes und vielseitiges Team verfügen, das den Anforderungen des Marktes gewachsen ist. Das ist insbesondere in Zeiten raschen technologischen Wandels und disruptiver Innovationen – in denen die Nachfrage nach bestimmten Fähigkeiten so schnell steigen wie fallen kann – nicht nur anzuraten, sondern vielmehr unerlässlich.

Fördern statt feuern

Fazit: Wenn Sie das nächste Mal neue Prozesse, neue Software, neue Maschinen, neue Positionen im Unternehmen einführen, dann nehmen Sie dabei vorrangig Ihr bestehendes Team mit. Schulen und fördern Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, statt weiterhin fehlende Fachkräfte zu beklagen und auf externe Expertise zu schielen. Das Lamento ist in der Oper besser aufgehoben. (Franz-Josef Lackinger, 17.4.2024)