Leider hat die Leiter keine Sprossen, man kann sie nicht erklimmen. Sie steht im Garten des Nonseum in Herrnbaumgarten in Niederösterreich, lehnt an einem Obstbaum. Man schaut sie an, macht ein Foto, nützlich im eigentlichen Sinne ist sie nicht. Deswegen heißt sie Leider und nicht Leiter. Sie ist eine von hunderten "Erfindungen, die wir auch nicht brauchen". So beschreiben die Betreiber des Nonseums ihre Objekte, die mittlerweile seit 30 Jahren hergestellt und gesammelt werden.

Da gibt es den ausrollbaren Zebrastreifen. Will man eine Straße überqueren, greift man zur schwarz-weiß gestreiften Matte, die man auf den Asphalt legt. So gelangt man sicher auf die andere Seite. Blöd nur, dass man zum Einpacken des Zebrastreifens wieder zurück auf die Straße muss.

Weil es ja nicht der eigene Finger ist, der bohrt, kann man seiner Lieblingsbeschäftigung freien Lauf lassen.
Objekt: Fritz Gall, Foto: Nonseum/Betty Gall

Der halbautomatische Nasenbohrer legitimiert das Nasenbohren in der Öffentlichkeit. Mittels Kurbel wird ein künstlicher Finger in einen Drehzustand gebracht. Rein in die Nase damit – und weg ist der Popel. Wir lernen schon als Kinder, die eigenen Finger nicht in die Nase zu stecken. Es juckt trotzdem? Mit der Erfindung ist das Problem gelöst.

Auf der Sitzungsbrille sind wache Augen aufgeklebt. Eine gute Möglichkeit, um mit ihrer Hilfe während eines Meetings ein Nickerchen einzulegen. Der FKK-Koffer ist durch und durch transparent. Kleidung ist für seine Besitzer nicht notwendig, daher wird darin nur eine Zahnbürste transportiert.

An der Grenze zur Verwertbarkeit

Die Objekte eint, dass sie eine Funktionalität vortäuschen. "Man denkt sich bei den Stücken zunächst, das könnte ich gut brauchen, aber tatsächlich schrammen sie knapp an der Grenze zur Verwertbarkeit vorbei", fasst Fritz Gall, der künstlerische Leiter des Nonseums, zusammen. Er hat den Großteil der Ausstellungsstücke selbst angefertigt.

Spaziert man durch die Räumlichkeiten des Nonseums, steigt automatisch die Laune. Das ist das Ziel der Betreiber. Auch Galls Tocher Alma arbeitet im Museum: "Lachen verbindet die Menschen und bringt die Leute zusammen", sagt die ausgebildete Lachyoga-Lehrerin, die hier regelmäßig Workshops anbietet.

Das Hauptgebäude ist interaktiv angelegt. Man kann etwa am Wortspielquiz teilnehmen und raten, welche Begriffe gemeint sind. Eine Zahl aus Karton und ein getrocknetes Stück Laub ergeben was? Richtig, der Begriff Ziffernblatt war gesucht. Im Nebengebäude, das 2013 errichtet wurde, sind die Ausstellungsstücke thematisch sortiert. Vom Schlafzimmer kommt man in die Küche, weiter in die Schule, ins Büro und landet schließlich im Freizeitbereich, wo Erfindungen im Bereich Sport oder Musik dargeboten werden.

Die perfekte Handtasche für das Vernissagen-Buffet, Alufolie inklusive.
Objekt: Fritz Gall, Foto: Nonseum/Mirko Plha

Ein Beispiel aus der Abteilung Kunst gefällig? Die "Buffet-eröffnet-Tasche" fällt überproportional groß aus. Innen ist sie mit Alufolie verkleidet. So können die Häppchen von einer Vernissage in ausreichender Zahl und sicher nach Hause transportiert werden.

Kritik an Konsumgesellschaft

Doch nicht nur lustig und witzig ist das alles hier, die Objekte regen auch zum Nachdenken an. "Wir wollen der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten", sagt Fritz Gall. Kritik üben die Erfinder etwa an der Konsumgesellschaft. Durch Marketingmaßnahmen würden Menschen zu Produkten gedrängt, die gar nicht notwendig seien. Mit dieser Entwicklung spiele man im "Verein zur Verwertung von Gedankenüberschüssen", der das Nonseum betreibt.

Kein Text, keine Bilder, dafür das eigene Spiegelbild für die "Lektüre im Dienste der Eigenliebe".
Objekt: Susanne Schuster, Foto: Nonseum/Betty Gall

Ein Spiegel im wahrsten Sinn des Wortes findet bei der Erfindung des "Face-Book" Verwendung. Dieses Buch besteht statt aus Texten oder Bildern aus Spiegelelementen. Man betrachtet sich selbst – und kann "Lektüre im Dienst der Eigenliebe" genießen, wie es in der Objektbeschreibung heißt.

"Wir wählen bewusst einen niederschwelligen Ansatz, um den Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen", sagt Alma Gall. Das Nonseum landet immer wieder auf internationalen Shortlists für die schrägsten Museen der Welt. Tatsächlich befindet es sich recht weit vom Schuss in Herrnbaumgarten im Weinviertel nahe der tschechischen Grenze.

Das Nonseum befindet sich im Bezirk Mistelbach im Norden Niederösterreichs.
Das Nonseum befindet sich im Bezirk Mistelbach im Norden Niederösterreichs.

In 30 Jahren haben mehr als 200.000 Personen das Nonseum besucht, Herrnbaumgarten hat sich zum verruckten (sic!) Dorf entwickelt. Die Übernachtungsbetriebe im Weinbauort übernehmen zum Teil das Konzept des Museums. Bestellt man zum Frühstück ein Spiegelei, erhält man ein weiches Ei, das mit einem Spiegel serviert wird. Am Sockenwandertag, der jedes Jahr am 26. Oktober stattfindet, nehmen viele aus dem Dorf teil.

Fritz Gall inmitten der Einzelsockensammlung. Neue Exemplare werden stets aufgenommen.
Idee: Fritz Gall, Foto: Nonseum/Lukas Beck

Man muss nämlich wissen: Das Nonseum beherbergt auch die größte Sammlung an Einzelsocken. Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, daran mitzuwirken, sie weiter zu vergrößern und ihre Exemplare einzuschicken. Übeltäter Waschmaschine, oder gibt es dazu auch andere Theorien?

Kultur auf dem Land fördern

Den Verein freut es, dass er mit seinem Museum zur mentalen Stärkung des Landes beitragen kann. Das Weinviertel gilt immer noch als tote Zone – oder, optimistischer formuliert, als Geheimtipp. In den vergangenen Jahren hat sich in puncto Kulturleben einiges getan, in den Augen vieler aber noch zu wenig.

Alma Gall und Fritz Gall sind Teil des Vereins, der das Nonseum betreibt. Hier lehnen sie an der "Leider", einer Erfindung aus dem Jahr 1996.
Objekt: Sighard Wacker, Foto: STANDARD/rwh

Alma Gall hat es sich zum Ziel gesetzt, das Nonseum weiter zu öffnen und zum Beispiel auch Art Residences zu ermöglichen. Künstlerinnen und Künstler sollen in einem Tiny House auf dem Areal leben und hier arbeiten. Das Thema Klimaschutz soll vermehrt Niederschlag in der künstlerischen Auseinandersetzung finden. Am 29. Juni wird das Nonseum-Jubiläum gefeiert. Auf in die nächsten 30 Jahre! (Rosa Winkler-Hermaden, 12.5.2024)