Ansichtssache
Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Am Freitag setzte Elsner-Anwalt Wolfgang Schubert seine Fragerunde an den Sachverständigen fort. Die Richterin "vermutete eine Verfahrensverzögerung", die Nerven der Anwesenden traten zum Vorschein.

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Wien - Der 73. Tag des Bawag-Prozesses stand einmal mehr in der Befragung des Gutachters, die der Verteidiger von Helmut Elsner, Wolfgang Schubert, durchführte - und zwar sehr gründlich. An die tausend Fragen hat er angekündigt; einen Bruchteil davon hat er bisher gestellt.

Am Freitag fand die prüfungsähnliche Fragerunde in einer Atmosphäre spürbarer Zurückhaltung seitens des Sachverständigen Fritz Kleiner statt. Als hätte er Kreide gefrühstückt, gab der Sachverständige, der die Ex-Banker in seinem Gutachten schwer zerzaust, betont geduldig nüchterne Antworten auf die äußerst detailreichen Fragen Schuberts.

Eklat am Vortag

Kein Wunder - Tags zuvor, kurz vor Verhandlungsende am Donnerstag, war es ja, wie berichtet, zum Eklat gekommen. Nachdem Elsner anlässlich einer Frage Kleiners gelacht hatte, hatte dieser gemeint, "Wir werden schon sehen, wer zuletzt lacht" - was ihm prompt einen Befangenheitsantrag Schuberts eintrug, dem sich fünf Verteidiger anschlossen. Das Gericht lehnte ab, mit der Erklärung, Kleiner habe zwar eine "ungebührliche Äußerung getätigt, aber nicht jede ungebührliche Äußerung begründet eine Befangenheit". Zudem habe "Elsner den ganzen Tag lang provoziert".

Das Rauskippen Kleiners hätte den Prozess verzögert: Ein neuer Gutachter hätte beauftragt werden müssen; die 432-seitige Expertise Kleiners (der ja seinerseits im Oktober den als befangen erkannten Sachverständigen Christian Imo ersetzt hat) hätte nicht verwendet werden dürfen.

Sehr zügig dürfte das Verfahren aber so oder so nicht weitergehen. Schubert fragte sich, Absatz für Absatz, Textziffer für Textziffer, durchs Gutachten, am Freitag überschritt er die 100er-Grenze; insgesamt gibt es 1284 Textziffern. Zur Sprache kamen Themen wie die Definition von Hedgefonds, oder Margins (Sicherstellungen) bei Investitionen, oder der Unterschied zwischen gekauften und geschriebenen Optionen.

Optionstechnik

Wobei sich an diesem Punkt auch Ex-Vorstand Josef Schwarzecker sachdienlich zu Wort meldete, bei geschriebenen Optionen gebe es (wegen des höheren Risikos) Margins, bei gekauften nicht. Tags zuvor hatte Schwarzecker, zur Natur der Flöttl-Geschäfte befragt, noch gemeint, "Ich bin ein Techniker".

Fragen über Fragen, denen Richterin Claudia Bandion-Ortner teils Relevanz absprach: "Wir können hier die Wirtschaftsuniversität nicht ersetzen, Herr Doktor Schubert."

Ihr Ersuchen "im Namen aller, die Fragen vorher schriftlich vorzulegen, weil jeder Tag hier kostet alle viel Geld" (an dieser Stelle: heftiges Kopfnicken der Angeklagten im Westflügel), perlte an Elsners stets sehr höflichem Anwalt wie Regen an einer Pelerine ab: "Ich verstehe Ihr taktisches Vorgehen, Frau Rat, aber ich stelle die Frage so, wie ich sie der Strafprozessordnung entsprechend hier stelle." Gegen die Retourkutsche Bandion-Ortners - "Ich muss vermuten, dass Sie das Verfahren aus irgendeinem Grund verzögern wollen"- verwehrte sich Schubert heftig.

Erkenntnisgewinn

In der Sache selbst gab es am Freitag einen kleinen Erkenntnisgewinn, den man dem Wiedersehen mit dem Zeugen Erich Foglar, Ex-ÖGB-Finanzchef und heute Chef der Metallergewerkschaft, verdankte. Foglar wurde in seiner zweiten Einvernahme zum Themenkomplex ÖGB-Haftungen befragt; je nach deren Umfang sind die Bawag-Bilanzen laut Gutachter Thomas Keppert mehr oder weniger falsch. Der ÖGB, seine Töchter sowie die Solidarität-Privatstiftung hatten ja Haftungen für die Bawag übernommen und später Kreditaufträge erteilt; umstritten ist, ob letztere zu den Garantien dazu kamen oder sie ersetzt haben.

Foglars Aussage (die vor allem für Ex-Bankprüfer Robert Reiter von Bedeutung sind): Der ÖGB sei zu den Haftungen für die Bank gestanden, "die Kreditaufträge haben die Garantien ersetzt". Womit er auf einer Linie mit Zeuge und ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer sowie mit dem angeklagten Ex-Bawag-Präsidenten und langjährigen ÖGB-Finanzchef Günter Weninger liegt. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24.2.2008)