Kaja Kallas und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Die estnische Premierministerin Kaja Kallas und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
REUTERS/JOHANNA GERON

Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU dürften sich bei ihrem Gipfeltreffen ab Donnerstag relativ schnell auf ein größeres Personalpaket für die Führung der wichtigsten EU-Institutionen in den kommenden fünf Jahren einigen. Das wurde zwei Tage davor aus Verhandlerkreisen von Christdemokraten (EVP), Sozialdemokraten (S&D) sowie den Liberalen am Dienstag in Brüssel kolportiert.

Den Deal haben die Unterhändler dieser drei Parteienfamilien getroffen: der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk für die EVP, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez für die Sozialdemokraten sowie der französische Präsident Emmanuel Macron und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte für die Liberalen.

Die drei großen Parteienfamilien hatten bereits nach den Europawahlen 2019 ein Bündnis geschlossen und die Deutsche Ursula von der Leyen auf Vorschlag des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zur Präsidentin der EU-Kommission gemacht. Sie übte dieses Mandat mit dem Green Deal als zentralem Element bisher aus und war im Juni auch als gemeinsame Spitzenkandidatin der EVP angetreten.

Auch im neuen Parlament, das sich Mitte Juli in Straßburg konstituieren wird, ist die EVP die bei weitem stärkste Partei, hat sogar an Mandaten dazugewonnen, anders als die Liberalen (RE), die deutlich verloren haben und vermutlich hinter die konservative Fraktion (EKR) zurückfallen. Der EKR gehören auch die Fratelli von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an, einer der großen Wahlgewinner.

Einigung der Parteienfamilien

Wie vom STANDARD berichtet, haben die Sozialdemokraten einer zweiten Amtszeit bereits zugestimmt, wenn sie den Nachfolger des Ständigen Ratspräsidenten Charles Michel stellen können. Dessen Amtszeit endet am 1. Dezember. Nachfolgen wird ihm nun aller Voraussicht nach der frühere portugiesische Ministerpräsident António Costa, ein Sozialdemokrat.

Um den Deal perfekt zu machen, dürften die Liberalen beim Posten des EU-Außenbeauftragten zum Zug kommen, der gleichzeitig laut EU-Vertrag einer der Vizepräsidenten der Kommission ist. Derzeit übt der spanische Sozialist Josep Borrell das Amt aus. Ihm soll die estnische Premierministerin Kaja Kallas folgen, eine Liberale.

Der portugiesische Premier Antonio Costa.
Der portugiesische Premier António Costa.
AP/Alastair Grant

Wie es nun heißt, soll Macron, der so wie der deutsche Kanzler Olaf Scholz dem Verhandlerteam der drei Parteienfamilien angehört, seine Zustimmung gegeben haben. Er war es, der 2019 den EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber als Kommissionschef verhindert hatte. Weber ist heute Fraktionschef in Straßburg und EVP-Präsident. Macron kann jedenfalls zufrieden sein. Mit dem niederländischen Premier Mark Rutte stellen seine Parteifreunde ab Oktober auch den Nato-Generalsekretär.

Ob dieses Personalpaket einhellig durch den Europäischen Rat gehen wird, ist unklar, aber sehr wahrscheinlich. Die EVP stellt 13 Regierungschefs, die SP vier und die Liberalen ebenso vier – von insgesamt 27. Aber noch ist unklar, ob die Mehrheit im Parlament überhaupt zustande kommt. Es sind 361 von 720 Stimmen nötig. Von der Leyen braucht noch Stimmen aus dem grünen Lager oder von Melonis Fratelli, die aber von SP und Grünen als "Faschisten" abgelehnt werden.

Die Lösung dürfte sich über das Arbeitsprogramm finden lassen, in dem sowohl der Klimaschutz als auch eine Stärkung von Europas Wirtschaft und Industrie neue Schwerpunkte werden sollen, neben den Themen Sicherheit und Migration. Dazu wird es beim EU-Gipfel vermutlich harte Debatten der Regierungschefs geben. (Thomas Mayer aus Brüssel, 25.6.2024)