Wikileaks teilte auf X ein Video, in dem Julian Assange, der Gründer der Enthüllungsplattform, vom Londoner Flughafen Stansted aus ein Flugzeug besteigt.
AFP/WikiLeaks/-

London – Wikileaks-Gründer Julian Assange ist nach Angaben der Enthüllungsplattform frei. Assange habe das Hochsicherheitsgefängnis bei London, in dem er seit fünf Jahren inhaftiert war, und Großbritannien verlassen, erklärte Wikileaks in der Nacht auf Dienstag. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass sich Assange laut Gerichtsdokumenten mit der US-Justiz auf ein Schuldbekenntnis geeinigt hat.

"Julian Assange ist frei. (...) Nach mehr als fünf Jahren in einer zwei mal drei Meter großen Zelle, in der er 23 Stunden am Tag isoliert war, wird er bald wieder mit seiner Frau Stella Assange und den gemeinsamen Kindern zusammenkommen, die ihren Vater bisher nur hinter Gittern kennengelernt haben", heißt es in dem Statement von Wikileaks auf X. Assanges Kinder wissen bisher nicht über die Freilassung ihres Vaters Bescheid. "Ich habe ihnen nur gesagt, dass es eine riesige Überraschung gibt", sagte die Ehefrau des WikiLeaks-Gründers, Stella Assange, am Dienstag der BBC. Sie habe lediglich auf dem Weg zum Flughafen in London erzählt, dass die Familie nach Australien fliege, um ihre Großeltern zu treffen.

Mutmaßlicher Flug nach Bangkok

Das Flugzeug, in dem Assange vermutet wird, ist am Dienstag in Bangkok gelandet. Auf Fotos war das Flugzeug auf einem Rollfeld zu sehen. Der australische Sender ABC veröffentlichte ein Video der Maschine im Landeanflug. Sie sieht aus wie das Flugzeug, das in einem zuvor von Wikileaks verbreiteten Video zu sehen ist, in das Assange nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis in London gestiegen war. Das thailändische Außenministerium wollte zur mutmaßlichen Ankunft von Assange in Bangkok auf Anfrage nicht Stellung beziehen.

Assange hat mit dem US-Justizministerium eine Einigung erzielt, wonach er sich in dem Spionageskandal teilweise schuldig bekennen will und ihm im Gegenzug eine weitere Haft in den USA erspart bleibt. Laut Gerichtsdokumenten hat der 52-jährige Australier zugestimmt, sich in einem einzigen Anklagepunkt der Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von als geheim eingestuften US-Verteidigungsdokumenten schuldig zu bekennen. Ein Gericht muss die Einigung allerdings noch absegnen.

Assanges Ehefrau bittet um Unterstützung

Assange soll den Plänen zufolge bereits an diesem Mittwoch vor einem Gericht in einem entlegenen US-Außengebiet erscheinen: auf den Marianeninseln. Die Inselgruppe liegt im Westpazifik, nördlich von Assanges Heimat Australien, und steht unter Hoheitsgewalt der USA. Im Anschluss solle er nach Australien weiterreisen. US-Medien zufolge soll Assange zu gut fünf Jahren Haft verurteilt werden – die er aber bereits in Großbritannien verbüßt hat.

SA KH statement 260624
A statement from Stella Assange and Kristinn Hrafnsson.
Free Assange

In einem Video rief Assanges Ehefrau dessen Unterstützer zur Hilfe für den Wikileaks-Gründer nach seiner Freilassung auf. "Wir beabsichtigen, einen Notfallfonds einzurichten für Julians Gesundheit und Genesung", sagte Stella Assange in einem Clip, der in der Nacht auf Dienstag auf Youtube veröffentlicht wurde. "Ich bitte euch, wenn ihr könnt, einen Beitrag zu leisten und uns beim Übergang in diese neue Phase der Freiheit von Julian zu helfen." Das Video wurde den Angaben zufolge am vergangenen Mittwoch aufgezeichnet. Darin steht Stella Assange vor dem Londoner Gefängnis Belmarsh, in dem Assange mehr als fünf Jahre inhaftiert war. Wikileaks-Chef Kristinn Hrafnsson sagt: "Wenn ihr dies seht, heißt das, dass er draußen ist."

Nach Einigung mit US-Justiz: Julian Assange ist frei.
AFP

Ohne Deal drohen bis zu 175 Jahre Haft

"Ich bin dankbar, dass das Martyrium meines Sohnes endlich ein Ende findet", zitierte der australische Sender ABC am Dienstag aus einer Mitteilung der Mutter des Wikileaks-Gründers, Christine Assange. "Das zeigt, wie wichtig und mächtig stille Diplomatie ist." Assanges Vater John Shipton sagte ABC, alles deute darauf hin, dass sein Sohn nach Australien zurückkehren könne: "Soweit ich es verstehe, wird Julian ein normales Leben mit seiner Familie und seiner Frau Stella führen können." Shipton dankte allen Unterstützern und speziell dem australischen Premierminister Anthony Albanese, der sich in den vergangenen Jahren immer wieder für eine Lösung in dem Fall starkgemacht hatte. Aufgrund des noch laufenden Verfahrens gegen Assange wollte sich der Regierungschef aktuell nicht im Detail zum Fall Assange äußern. Auf eine entsprechende Frage im Parlament antwortete er aber: "Wir wollen, dass er nach Australien zurückgebracht wird."

Assange wird dem Premier zufolge auch nach seiner Freilassung aus der Haft von seinem Heimatland weiter konsularisch betreut. "Ich möchte sagen, dass die australische Regierung Herrn Assange weiterhin konsularische Unterstützung gewährt hat", sagte Albanese am Dienstag. Konkret handle es sich um Hilfe durch den Hochkommissar in Großbritannien, Stephen Smith, "der Herrn Assange bei seiner Ausreise aus Großbritannien begleitete, und durch den Botschafter in den USA, Kevin Rudd, der ebenfalls wichtige Unterstützung leistet".

Die US-Regierung wirft Assange vor, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assanges Unterstützer sehen ihn hingegen wegen der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen im Visier der US-Justiz. Bei einer Verurteilung ohne eine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft könnten Assange wegen Spionage bis zu 175 Jahre Haft drohen. (APA, red, 25.6.2024)