Ibiza-Video mit Strache und Gudenus
Das Ibiza-Video und seine Folgen beschäftigen Österreichs Innenpolitik bis heute.
Spiegel, SZ

Vor mehr als fünf Jahren krempelte das Ibiza-Video von Julian Hessenthaler und Ramin Mirfakhrai Österreichs Innenpolitik um. Jetzt haben die beiden "Ibiza-Macher" gemeinsam mit Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell und Greenpeace-Aktivistin Ursula Bittner eine Plattform gegründet, die künftige Aufdeckerinnen und Aufdecker unterstützen soll. Am internationalen Whistleblower-Tag spricht Bittner mit dem STANDARD über das Projekt.

STANDARD: Gibt es den perfekten Informanten oder Whistleblower? Oder verfolgen Menschen, die etwas offenlegen, immer ein bestimmtes Interesse?

Bittner: Ich glaube tatsächlich, dass sogar der Großteil kein Eigeninteresse hat. Denn viele nehmen ein großes Risiko auf sich und sind Repressalien ausgesetzt. Es kann natürlich immer wieder vorkommen, dass es Informanten gibt, die selbst betroffen sind und deshalb etwas aus eigenem Interesse an die Öffentlichkeit bringen wollen.

STANDARD: Oder sie haben finanzielle, rechtliche oder politische Interessen. Damit sind wir als Journalisten tagtäglich konfrontiert. Schädigt das die Qualität eines Informanten?

Bittner: Journalist:innen und NGOs wie Greenpeace veröffentlichen Informationen ja nicht eins zu eins, sondern prüfen ihren Wahrheitsgehalt und ordnen sie ein. Unter dieser Voraussetzung kann man auch auf solche Informanten zurückgreifen.

STANDARD: Sie arbeiten in Ihrem Projekt Ans Licht! mit den "Ibiza-Machern" Julian Hessenthaler und Ramin Mirfakhrai zusammen. Über deren Motivation und Interesse wird auch fünf Jahre später noch spekuliert. Was war es aus Ihrer Sicht?

Bittner: Hessenthaler und Mirfakhrai haben ausführliche Interviews über ihre idealistischen Motivlagen gegeben. Mit Ans Licht! haben wir jetzt gemeinsam mit Fritz Hausjell einen Verein zur Unterstützung von Aufdecker:innen gegründet.

STANDARD: Wie konkret wollen Sie unterstützen?

Bittner: Erstens soll der Verein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir als Gesellschaft und für eine funktionierende Demokratie Aufdeckerinnen und Aufdecker brauchen. Zweitens soll der Verein eine Plattform sein, bei der sich Whistleblower melden können. Wir unterstützen künftige Aufdecker:innen dann kommunikativ, juristisch oder in weiteren notwendigen Bereichen.

STANDARD: Werden Sie Menschen auch dabei unterstützen, Informationen zu beschaffen?

Bittner: Derzeit ist nur geplant, dass wir Menschen unterstützen, die bereits Informationen haben.

STANDARD: Letztlich werden auch Sie vor der Frage stehen, wen Sie beraten und wen nicht, wer vertrauenswürdig ist und wer nicht. Wie wollen Sie das beurteilen?

Ursula Bittner
Ursula Bittner ist Wirtschaftsexpertin bei Greenpeace.
Ans Licht!/Julie Brass

Bittner: Wenn wir Informationen bekommen, müssen wir das natürlich evaluieren. Wir sind vier Personen im Gründungsvorstand, die Expertise haben. Ich selbst komme aus einer NGO, die investigativ arbeitet, Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell kennt den Medienbereich. Hessenthaler und Mirfakhrai haben ihre eigenen Erfahrungen. Wir werden darüber hinaus zusätzliche Expertinnen und Experten einbinden.

STANDARD: Sie sammeln Spenden für das Projekt. Wofür brauchen Sie das Geld?

Bittner: In erster Linie, um ein Büro einzurichten und Mitarbeiter anzustellen. Und um Spesen und die IT bezahlen zu können.

STANDARD: Halten Sie es für denkbar, dass zum Beispiel Julian Hessenthaler als fixer Mitarbeiter im Verein arbeitet?

Bittner: Aus jetziger Sicht arbeiten wir ehrenamtlich. Wenn es sehr viel wird, müssten wir über eine Abgeltung nachdenken. Aber es ist nicht geplant, dass eines von uns vier Vorstandsmitgliedern angestellt wird.

STANDARD: Ganz allgemein gesprochen: Sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Informanten und Whistleblower in Österreich ausreichend?

Bittner: Die EU-Whistleblower-Richtlinie wurde in Österreich leider viel zu spät umgesetzt und hat Lücken. Die Richtlinie sieht vor, dass Mitarbeiter:innen von Unternehmen und Behörden nicht bestraft werden dürfen, weil sie Missstände aufdecken. Das österreichische Hinweisgebergesetz geht aber nicht über die Mindeststandards hinaus. Erfasst sind zum Beispiel keine Whistleblower, die über Straftatbestände berichten, die außerhalb des Korruptionsstrafrechts angesiedelt sind, zum Beispiel sexuelle Belästigung. Das Gesetz ist außerdem so kompliziert, dass Menschen oft nicht klar ist, ob sie geschützt sind oder nicht. Das ist natürlich ein Problem, weil ihnen im schlimmsten Fall hohe Strafen drohen.

STANDARD: Fehlt in Österreich vielleicht auch die Whistleblower-Kultur?

Bittner: Ich glaube, dass gerade durch Ibiza ein Bewusstsein in die Bevölkerung gekommen ist, genauer hinzusehen, wenn Korruption passiert. Ich hoffe, dass sich dieses neue Bewusstsein weiterentwickelt und dass wir eine Beitrag dazu leisten können. (Jakob Pflügl, 23.6.2024)