Dem Chatbot ansagen, was er an potenzielle "Matches" weitergeben soll und darf. Nach den ersten Konversationen schaltet sich erst der Mensch dazu.
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Kürzlich verfasste eine Kollegin beim STANDARD eine Geschichte zu den aktuellen Problemen von Dating-Apps. Sexuelle Übergriffe, Belästigungen oder auch Diskriminierung und Abwertung seien an der Tagesordnung von Tinder, Bumble und Co. Die Antwort auf diese Probleme könnten laut Bumble-Gründerin Whitney Wolfe Herd sogenannte "Dating Concierges" sein. Diese KI-gestützten Abbilder unserer selbst würden dann für die jeweilige Person das "passende Match" finden. Im Idealfall freundlicher und weniger diskriminierend in ihrer Sprache als ihre realen Vorbilder.

"Es gibt eine Welt, in der Ihr Dating-Concierge für Sie ein Date mit einem anderen Dating-Concierge arrangieren könnte ... und dann müssen Sie nicht mit 600 Leuten sprechen", sagte Herd auf dem Bloomberg Tech Summit vor wenigen Wochen. Man würde bei Bumble deshalb bereits daran arbeiten, wie Künstliche Intelligenz Menschen bei ihrer Suche nach dem richtigen Partner oder der richtigen Partnerin assistieren können.

Black Mirror

Die Umsetzung scheint nicht unrealistisch. Man gibt dem eigenen Profil möglichst viele Informationen von sich preis und die KI kann damit auf die Suche nach passenden Personen gehen. Sogar chatten könnten die KIs miteinander. Chatbots, sofern sie mit den richtigen und ausreichend Informationen gefüttert werden, können mittlerweile auch schon ein gewisses Verhalten simulieren, was einer realen Unterhaltung zumindest nahe kommt. Der größte Vorteil: Alles geschieht natürlich wesentlich schneller, als wenn man diese Chats selber führen müsste. Der Chatbot muss nicht zwischendurch arbeiten, Kinder von der Schule holen oder schlafen. Er ist immer da und kann immer antworten.

Ganz neu ist die Idee von KI-gestützten Dating-Assistenten übirgens nicht. Bei YourMove.AI können diese schon bei der Erstellung des eigenen Profils helfen und auch Chatbots wie auf der Plattform Volar werden bereits eingesetzt, um für die jeweilige Person den ersten Schritt bei der Kontaktaufnahme zu übernehmen.

"Wired" wagte hier bereits einen Testlauf mit Volar und schickte den persönlichen Chatbot auf erste, virtuelle Dates. Diese "eröffnen mit einem Eisbrecher das Gespräch und reden dann über Interessen und andere Themen" des Erstellers, wie der Autor berichtet. Als Nutzer kann man dann die Konversation nachlesen, erhält noch ein Foto vom Gegenüber und entscheidet dann, ob man selbst in das Gespräch einsteigen will.

Technologie und Authentizität

Noch sind die Aussagen von Herd nicht frei von Kritik. Ein Posting mit den Inhalten des Panels von Herd, das auf X geteilt wurde, erhielt innerhalb kürzester Zeit über zehn Millionen Views. Die Kommentare reichten von Neugier bis hin zum Vorwurf, hier an einer neuen Episode von "Black Mirror" mitschreiben zu wollen. Die Serie zeigt in mehreren Staffeln die Gefahren technischen Fortschritts auf unsere Welt.

Kritiker kontert Herd mit dem Argument, KI könnte Menschen beibringen, wie man besser jemanden kennenlernt. Diese neuen Möglichkeiten könnten hilfreiche Tipps geben, wie man neue Menschen richtig anspricht und so "gesündere und auf Gleichberechtigung basierende Beziehungen" schafft.

Wer die Branche länger beobachtet weiß, dass man hier ein sinkendes Schiff flicken will. Egal ob die herunterrasselnden Börsenkurse von Matchgroup (Tinder, Hinge, usw.) oder Bumble oder auch aktuelle Studien, die zeigen wie sich jüngere Menschen vom Online-Dating abwenden, hier wird nach Möglichkeiten gesucht, um diese negativen Trends wieder umzukehren.

Ob KI hier helfen kann bleibt abzuwarten. Laut dem "Future of Dating Report 2023", den Tinder im Vorjahr veröffentlicht hat, sieht die Hauptzielgruppe der Apps – die Gen Z – drei große Trends, die künftig Online-Dating definieren werden: Inklusivität, Technologie und Authentizität. Diesen Spagat zwischen den einzelnen Punkten im Zusammenhang mit KI erklärt der Report ebenfalls. So gibt es durchaus Begeisterung von den Möglichkeiten, die KI mit sich bringen kann, aber nicht auf Kosten der Authentizität, wie betont wird. Die Gen Z lässt sich gerne von KI bei der Erstellung eines Datingprofils helfen, hat aber gleichzeitig wenig Interesse an generischen, automatisch ausgefüllten Profilen, denen es an der so hoch geschätzten Authentizität fehlt. Ganz zu schweigen von Konversationen mit Chatbots.

Menschliche Kontakte

Im Gespräch mit "NBC News" erklärte ein Sprecher von Bumble, dass auch in der eigenen App bereits KI-Features genutzt werden, etwa die "Für dich"-Empfehlungen, Bild-Filter und eine Spam-Erkennung für Fake-Profile. Auch bei Tinder hilft KI bereits das beste Profilbild auszuwählen und weist auf potenzielle Matches hin. Die Entwicklung in Richtung Technologisierung der Dating-Welt wird also wohl auch diesmal nicht aufzuhalten sein, speziell wenn man sich die wachsende Konkurrenz ansieht, wo Menschen einfach nur noch KI-generierte Avatare als Kommunikationspartner auswählen und gar nicht mehr Menschen.

Bei Bumble denkt man dennoch schon einen Schritt weiter. "Wir werden in ein paar Jahren keine Dating-App mehr sein", sagt Herd. Dating werde viel mehr "eine Komponente" aus einem breiten Angebot sein. Es ginge aktuell viel mehr darum eine Plattform zu schaffen, wo man "menschliche Kontakte" sucht und findet. Etwa für eine Wandertour oder auch das Zusammenkommen für diverse Gesellschaftsspiele. Wenn bei der Suche und beim Finden dieser menschlichen Kontakte eine KI helfen kann, werden wohl die wenigsten Userinnen und User etwas dagegen haben. Alteingesessene Wege jemanden kennenzulernen, etwa durch das Ansprechen in der U-Bahn oder in einer Bar, scheint in dieser Welt der Dating-App-Verantwortlichen keine Rolle mehr zu spielen. (aam, 23.6.2024)