Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Vizekanzler Werner Kogler und Justizministerin Alma Zadić am Weg zum Bundeskongress in Wien.
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Vizekanzler Werner Kogler und Justizministerin Alma Zadićam Weg zum Bundeskongress in Wien.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Wien – Werner Kogler führt die Grünen am 29. September als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl. Beim Bundeskongress am Samstag in Wien erhielt er 94,5 Prozent der Delegiertenstimmen. Kogler nahm die Wahl an. Zuvor hatte der Vizekanzler und Bundessprecher der Grünen für seine Bewerbungsrede viel Jubel geerntet, ebenso wie Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, die für die zweiten Listenplatz kandidierte. Sie erhielt 98,1 Prozent der gültigen Stimmen.

Auf Platz drei folgte Justizministerin Alma Zadić mit 98,5 Prozent. Klubchefin Sigrid Maurer erhielt hinter Zadić 81,9 Prozent. Mit 73,5 Prozent auf Listenplatz fünf gewählt wurde Generalsekretärin Olga Voglauer. Markus Koza als Listensechster schaffte 93,7, Nina Tomaselli als -siebente 95,2 Prozent.

Gewessler für weisungsfreien Rechtsdienst

Gewessler hatte diese Woche gegen den Willen der ÖVP für das EU-Renaturierungsgesetz gestimmt und damit für ihre Partei rechtzeitig zum Wahlkampf das Mäntelchen des gefügigen kleinen Koalitionspartners abgeschüttelt. Die mehr als 200 Delegierten in der Ankerbrotfabrik in Wien-Favoriten quittierten das mit Standing Ovations. "Liebe Leonore, das war ein unendlicher Sieg, ein unendlicher Sieg für die Natur", jubelte die Wiener Co-Parteichefin Judith Pühringer: "Du hast diese Woche Grüne Geschichte geschrieben."

"Ich habe als Ministerin eine Entscheidung getroffen, um unsere Heimat zu schützen", verteidigte Gewessler am Samstag im Ö1-"Mittagsjournal" einmal mehr ihre Abstimmung. Sie sei "im entscheidenden Moment" nicht ihrer Verantwortung als Politikerin davongelaufen. Das mache sie nicht gleich zur Aktivistin, erklärte sie weiter.

Leonore Gewessler
Viel Applaus und Standing Ovations für Leonore Gewessler.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Auch rechtlich sei sie ein langjährigen Praxis gefolgt und habe nichts anderes gemacht als viele ÖVP-Minister vor ihr. Kritik gab es an dieser Stelle am Verfassungsdienst der Republik, der zuvor festgestellt hatte, dass Gewessler dem Gesetz nicht zustimmen hätte dürfen. Der Verfassungsdienst ist dem Bundeskanzleramt weisungsgebunden. "Im Endprodukt ist es dann oft so, dass an Rechtsinterpretation das rauskommt, was der ÖVP passt", bemängelte die Ministerin.

Kritisch sah Gewessler auch, dass gegen das Gesetz von Anfang an "mit Halbwahrheiten agitiert worden ist". Diese "Kampagne" hätte man als solche benennen, und schon früher dagegen vorgehen sollen.

98,58 Prozent Zustimmung beim letzten Mal

In seiner 40-minütigen Rede hat Kogler vom "Startschuss für die Aufholjagd, die wir beginnen" gesprochen. Die Grünen seien der Reformmotor der Republik, und auch bei Gegenwind stehe man für die richtigen Dinge ein. Schon beim Einzug der Parteispitze war Gewessler gefeiert worden, und Kogler bekräftigte dies: "Der Naturschutz hat gewonnen, in ganz Europa. Danke Leonore!"

Werner Kogler
Werner Kogler wird für die Grünen auf Listenplatz eins bei der Nationalratswahl stehen.
Heribert Corn

Jeder Schritt bei dieser Entscheidung sei wohlüberlegt, wohlgesetzt und rechtlich untermauert getan worden. Die Grünen hätten tatsächlich ihr wahres Gesicht gezeigt, zitierte der euphorisiert wirkende Kogler ironisch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), und die richtigen Entscheidungen getroffen: "Es ist eben so, wir sind die Natur- und Klimaschutzpartei, und wohl die einzige." Wenn es um Verantwortung gehe, hätten die Grünen "nicht nur ein heißes Herz, sondern auch einen kühlen Kopf". Daher gehe er davon aus, dass die Regierungszusammenarbeit bei zum Herbst korrekt weitergehen werde.

Kogler beschwört Einigkeit der Grünen

Einmal mehr beschwor er die Einigkeit der Grünen in schwierigen Zeiten, ohne explizit die EU-Wahl und die Causa Lena Schilling zu erwähnen. "Wir haben uns nicht umblasen lassen, und wir haben mehr zusammengehalten als zuvor", sagte er. Dann zählte Kogler die Errungenschaften der letzten fünf Jahre auf, etwa die Abschaffung des Amtsgeheimnisses oder die Stärkung der Justiz..

Von der "reformresistenten Blockadeelite" werde man sich nicht aufhalten lassen, auch nicht beim Verkehr. "Wir sind sowieso der Kreisverkehr Europas", ätzte Kogler und plädierte für Eisenbahnausbau und gegen Autobahnverbreiterungen. Auch an die jüngsten Unwetterkatastrophen erinnerte er: "Wer das Wesen der Klimakatastrophe nicht kapiert, ist entweder blind oder stellt sich abhängig von irgendwem." Die Grünen dagegen "waren immer eine Partei der Ökologie und der sozialen Gerechtigkeit", so Kogler, und die "Brandmauer gegen rechtsextrem in dieser Republik".

Sich selbst präsentierte Kogler als Teamplayer und als Wahlkampflokomotive: "Ich sage euch, Wahlkampf, ich kann's und ich will's." Es werde wieder Gegenwind kommen, der Weg sei steinig, aber: "Wir werden es machen, wir werden anpacken."

Hoffen auf weitere Regierungsbeteiligung

Bei der Nationalratswahl 2019 erreichten die Grünen 13,9 Prozent und schafften damit das Comeback in den Nationalrat. Aktuell liegt die nunmehrige Regierungspartei in Umfragen weit darunter. Ziel ist für Kogler dennoch eine weitere Regierungsbeteiligung, wie er zuletzt betont hat. (APA, red, 22.6.2024)