Springen wir einfach mal rein in die Vergangenheit. Hilfe für einen Mörder heißt jene Folge der Schwarzwaldklinik, die das ZDF am 23. Oktober 1985 zeigte. Im schönen Krankenhaus im malerischen Glottertal herrscht Unruhe, weil Professort Klaus Brinkmann (Klausjürgen Wussow) seine lebensrettend chirurgischen Fähigkeiten zuerst einem Mörder angedeihen lässt und dann erst einem anderen Patienten.

Schwester Christa (Gaby Dohm), später Ärztin, heilte mit Brinkmann Junior (Sascha Hehn) und dem Professor (Klausjürgen Wussow).
Schwester Christa (Gaby Dohm), später Ärztin, heilte mit Brinkmann Junior (Sascha Hehn) und dem Professor (Klausjürgen Wussow).
IMAGO/United Archives

Der Volkszorn im Mikrokosmos Klinik kocht. Da braucht es natürlich die Einordnung des Professors, gesprochen mit beruhigend-sonorer Stimme: "Wir sind immer zur ärztlichen Hilfe verpflichtet, ohne Rücksicht auf Stand und Ansehen. Wir sind nicht Angehörige einer großen Strafkammer." Und schon ist die Welt wieder in Ordnung, zumal auch Schwester Christa (Gaby Dohm) dem Patienten versichert: "Nur keine Angst. Es tut nicht weh." Millionen Fernsehzuseherinnen und -zuseher konnten beruhigt schlafen gehen.

Es tut weh

Schaut man heute noch mal in die alten Folgen rein, so kommt man zum genau gegenteiligen Empfinden: Es tut verdammt weh. Die Serie schmerzt wie ein Blinddarmdurchbruch oder eine Darmkolik.

DER STANDARD hat sich viele Serien nach Jahrzehnten noch einmal angesehen. Manche davon sind zwar im Erscheinungsbild veraltet, inhaltlich aber überraschend zeitlos.

Konkurrenzloser Quotenhit

Die Schwarzwaldklinik zählt nicht dazu. Sie ist absoluter Achtzigerjahre-Kitsch und wirkt heute wie aus einer noch ferneren Fernsehgalaxie als schon vor 40 Jahren. Damals war sie ein Quotenhit. Weil: Wir hatten ja nichts anderes. Es gab kein Internet, keine sozialen Medien, kein Handy, das Privatfernsehen lernte gerade erst laufen.

Das ZDF hingegen verfügte über viel Geld, der ORF hängte sich auch mit rein, und so wurde die nie wieder erreichte Mischung aus Arztserie, Soap und Heimatroman kreiert. Als "Schmalzweltklinik" hat sie das deutsche Satiremagazin Mad einmal recht treffend bezeichnet.

Produzent Wolfgang Rademann wollte nie von Kitsch sprechen, lieber von "heiler Welt". Die gab’s im Übermaß, wenngleich in manchen der 73 Folgen, die zwischen 1985 und 1989 liefen, auch Themen wie Missbrauch und Sterbehilfe thematisiert wurden.

Halbgott in Weiß

Hauptsächlich aber herrschte Verklärung auf allen Ebenen. Der Professor, ein Halbgott in Weiß. Sicher, er hatte ein paar Macken und konnte schon mal ungeduldig und unwirsch werden – vor allem, wenn er den Patienten und Patientinnen gern noch mehr geholfen hätte. Aber große charakterliche Defizite gab es nicht. Er fand die Lösung für jedes Problem.

Erstaunlich war damals schon, wie viel Zeit sich ein Professor auch für Kassenpatienten nehmen ­konnte. Unglückliche Ehemänner, schwangere Frauen oder auch mal ein Landstreicher – der Doktor ließ sich geduldig nicht nur die körperlichen Wehwehchen schildern. Heute müsste jeder Arzt dabei beinhart abrechnen. Für Klaus Brinkmann jedoch war es eine Herzensangelegenheit.

Apropos Kosten: Verwaltungsreform, Pflegenotstand, Stationsschließungen oder Leistungskürzungen waren in der Schwarzwaldklinik Fremdworte.

Natürlich mussten die Schwestern spuren, die legendäre Oberschwester Hildegard (Eva Maria Bauer) führte ein strenges Regiment. Aber für ein Schwätzchen blieb immer Zeit. Männlich dominiert war die Ärzteschaft. Die wenigen Ärztinnen hatten ein trauriges Bild abzugeben. Dr. Elena Bach (Heidelinde Weis), die Ex des Professors, litt zuerst schwer daran, dass der wunderbare Mediziner sie nicht mehr in sein Herz lassen wollte, und starb bei einem Autounfall.

Ein ähnliches Schicksal erlitt Dr. Katharina Gessler (Ilona Grübel). Die Ehe mit Brinkmann-Junior Udo (Sascha Hehn) zerbrach, später erlitt sie eine tödliche Blutvergiftung. Beruflich erfolgreiche Frauen scheitern privat und sterben – das wollte man schon damals nicht vermittelt bekommen. Beim Wiedersehen anno 2024 ist es noch absurder.

Sorge vor Ehebruch

Besser erging es Schwester Christa, die zwar den Professor heiratete, aber dennoch ihr Medizinstudium abschloss und in die Forschung wechselte. Das erforderte eine räumliche Trennung des Ehepaares. Natürlich hatte Brinkmann Senior Sorge, dass ihn Christa betrügt. Tat sie selbstverständlich nicht. Er hingegen hatte weniger Hemmungen. Dennoch blieb ihm Christa treu ergeben. Die spießige Botschaft war unmissverständlich.

Immerhin durfte Filius Udo vom Playboy zum Mann mit Herz reifen. Der Weg aber dauerte lang und bescherte der TV-Geschichte den lässigsten (und heute betrachtet) lächerlichsten Sprung eines Schwerenöters in ein weißes Golf Cabrio.

Man schämt sich nur noch fremd, dass man so etwas mal, nun ja, doch irgendwie ein bisschen cool fand. Also damals, in jungen Jahren.

1989 war Schluss mit der Serie. 2005, zwei Jahre vor Wussows Tod, gab es Jubiläumsaufguss mit den alten Bekannten. Der war eine furchtbare Überdosis, markierte aber auch das finale Ende der Doktorspiele. Und das war dann auch gut so. (Birgit Baumann, 22.6.2024)