Mannschaftsfoto von Österreich.
Mannschaftsfotos werden vor Spielbeginn aufgenommen.
REUTERS/Fabrizio Bensch

Österreichs Fußball-Nationalmannschaft feierte am Freitag vor 71.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion einen 3:1-Sieg über Polen und hält damit vor dem letzten Gruppenmatch am Dienstag gegen die Niederlande bei drei Zählern. Ein genauerer Blick auf die Akteure:

Patrick Pentz: Pentz war in der ersten halben Stunde nur mit dem Fuß am Ball, und damit immer erster Mann im Spielaufbau. Das löste er sicher und umsichtig. War beim Gegentor chancenlos, sonst beschäftigungslos – bis kurz vor der Pause, als der 27-Jährige einen Freistoß aus dem Eck zupfte. Auch in Halbzeit zwei konnte man keine Formschwankung erkennen, Pentz rettete gar noch bei einem scharfen Schuss der Polen. Der Mann von Bröndby strahlt eine immense Sicherheit aus und hat auch das Potenzial, einmal ein Spiel mit Paraden zu gewinnen. Wieder eine richtig gute Leistung.

Phillipp Mwene: Was für eine Partie des 30-Jährigen in der ersten Halbzeit. Brachte Deutschland ins Schwitzen, weil er seine linke Seite so beackerte, dass es knapp werden könnte mit der Renaturierung bis 2050. Brachte Österreich ins Schwitzen, weil er in der 17. Minute mit angelegtem Ellbogen im eigenen Strafraum an den Ball kam. Warf sich in Zweikämpfe, bewies Tempo, Dynamik und Engagement. Seine Flanke zu Trauners 1:0 war ein Gedicht. Ließ nach dem Seitenwechsel etwas nach und wurde Mitte der zweiten Halbzeit von Prass ersetzt.

Philipp Lienhart: Stellte sich in Minute sechs erstmals körperlich bei den Polen vor, als er einen Konter per scharfem Einstieg unterband. Der Freiburger war zur Stelle, wenn er gebraucht wurde, traf in Zweikämpfen die richtigen Entscheidungen, war immens abgeklärt und bewies Ruhe und Genauigkeit im Spielaufbau. Hatte während seiner auffälligsten Phase drei richtig starke Interventionen, die allesamt sein Selbstvertrauen und seinen Mut unterstrichen. In Polen sagt man: "Złapać byka za rogi a niedźwiedzia za ucho." Fang den Stier bei den Hörnern und den Bären bei den Ohren. Alles richtig gemacht.

Trauner attackiert Polen von hinten.
Einmal kurz weggeschaut, schon hatte man Gernot Trauner im Nacken.
EPA/Leszek Szymanski

Gernot Trauner (bis 59.): Dürfte mit seiner Präsenz, seinem Körpereinsatz und seiner Zweikampfstärke auch in polnischen Hooligan-Foren ein Begriff sein. Aber nicht nur das: Der Feyenoord-Legionär erzielte mit einem Van-Gogh von einem Kopfball das 1:0. Spielte eine sehr gute Partie, war ungemein lästig, zweikampfstark und umsichtig. Auch wenn es darum ging, den Ball nach vorne zu bringen, war Trauner ein Mann der schnörkellosen Lösungen, was nicht bedeutet, dass er in farblosen Querpässen verschwamm. Musste verletzt ausgewechselt werden.

Stefan Posch: Der Rechtsverteidiger stand anfänglich im Schatten von Mwene, seinem Gegenpart auf der linken Seite. Das dürfte Posch weniger gefallen haben, also reagiert man: Und plötzlich tauchte der baumlange Steirer immer wieder in der Mitte des Platzes auf, sprang also wie ein Clown aus der Geburtstagstorte. Das Wichtigste daran: Posch fand damit besser an den Ball und ins Spiel. Und schon spielte der 27-Jährige wieder so, wie man ihn in Bologna kennt und ganz viel Amore für ihn hat: Mit enorm viel Einsatz, Laufbereitschaft, Zweikampfstärke und überraschenden Momenten im Offensivspiel.

Nicolas Seiwald: Es wird schon schön langsam fad, immer wieder herauszustreichen, wie gut der junge Leipzig-Legionär ist. Der 23-Jährige ist und bleibt der unsichtbare Rächer im Mittelfeld, hat ein Gefühl und ein Gespür für Spielsituationen und nimmt zudem jeden Zweikämpf an, der sich ihm darbietet – ist also für die Gegenspieler alles andere als unsichtbar. Wermutstropfen: Auch er schaffte es nicht, die polnische Drangphase in Halbzeit eins einzudämmen. Halbzeit zwei: Seiwald leitete mit einer umsichtigen und perfekt getimten Spielverlagerung das 2:1 ein und war wie schon gegen Frankreich einer der besten Österreicher am Platz.

Florian Grillitsch (bis 45.): Kann zwei Gegner auf einem ausgebreiteten Bauernschnapsdeck ausspielen und verteilte in den Anfangsminuten auch brav Bummerln an die Polen. Spielte zu Beginn eine bedeutend aktivere und auffälligere Partie als noch gegen Frankreich, verlor aber mit dem polnischen Drang Mitte der ersten Halbzeit immer mehr den Faden. Grillitsch konnte den Polen nichts mehr entgegensetzen. Im Gegenteil: Er war mit Fehlpässen ein wichtiger Baustein im gegnerischen Aufbauspiel. Zur Pause ausgewechselt.

Sabitzer und Rangnick an Seitenlinie.
Sabitzer war das Um und Auf im Offensivspiel.
AFP/AXEL HEIMKEN

Marcel Sabitzer: War der personifizierte Anfangselan und zog das österreichische Offensivspiel an sich: War entscheidungsstark, dynamisch, passgenau und zog in den richtigen Momenten das Tempo an. Hatte gegen Ende der ersten Halbzeit die große Chance aufs 2:1, sein Schuss wurde aber geblockt. Insgesamt das Um und Auf in den Offensivbemühungen von Rangnicks Team. Und es wurde besser: Der Dortmund-Legionär sorgte mit einem guten Laufweg für die Vorentscheidung, als er sich im polnischen Strafraum in Szczęsnys Gesicht verhakte. Die Standards sind ausbaufähig, abgesehen davon eine hervorragende Partie.

Christoph Baumgartner (bis 81.): Der beste Österreicher der vergangenen Monate war nicht der beste Österreicher in Halbzeit eins, lieferte ungewohnte Ballverluste und hatte Probleme in der Ballbehandlung und Entscheidungsfindung. Nach der Pause mit einer eklatanten Leistungssteigerung, auch dank Rangnicks Pausenflüsterei ("Er hat zwei, drei Minuten nur mit mir geredet und mir Zuspruch gegeben"). Baumgartner wurde gefährlicher, ballsicherer, zielstrebiger und brachte seine PS auf den Rasen. War in Minute 67 wieder der beste Österreicher, denn er traf überlegt zum 2:1.

Konrad Laimer: Sah bei der Hymne aus wie das Fahndungsfoto eines 90er-Jahre Teeniestars nach einer Alkofahrt, aber schieben wir das einmal auf die Pre-Matchkonzentrationsphase. Cry me a river? Nur die Gegner! Laimer startete offensiv rechts, war in Pressingphasen stark am Gegner und dann stark am Ball. Zur Pause rückte der Bayern-Legionär mit der Hereinnahme von Wimmer ins Zentrum neben Seiwald und blühte dort so richtig auf. Er störte früh, räumte ab und leitete Gegenstöße ein. Läuft wohl noch immer durch Berlin auf der Suche nach ballführenden Polen.

Arnautovic jubelt.
Verneigend.
AFP/JOHN MACDOUGALL

Marko Arnautovic (bis 81.): Kapitän und Startelfvertrauen für Marko Arnautovic. Seine Hauptaufgabe war das Abschirmen und das Weiterverarbeiten in der Offensive. Das gelang in den Anfangsphasen manchmal gut, manchmal weniger. War zudem ein Unruheherd, band polnische Verteidger und schaffte Räume. Insgesamt spielte Arnautovic das, was man von ihm in den vergangenen Jahren kannte, immer irgendwo zwischen Cirque du Soleil und orthopädischem Fußbad – beides natürlich auf hohem Niveau. Was man aber manchmal vergisst: Der Inter-Legionär ist ein Teamplayer aller erster Güte, das bewies er vor allem, als er in Minute 67 den scharfen Prasspass zum wesentlich besser postierten Baumgartner durchließ. Rackerte sich mit Fortdauer und dem Vertrauen des Teamchefs immer besser in die Partie und regelte mit dem coolsten Elfer seiner Karriere schlussendlich alles. Intensive, gute Partie.

Patrick Wimmer (ab 46.): Kam zur Pause und war sofort Aktivposten, Balleroberer und Dribbelfeingeist. Sprintete zehn Minuten nach seiner Einwechslung volles Karacho über den Platz, um sich per Foul die Gelbe abzuholen. Sprintete später wieder über den ganzen Platz und scheiterte mit einer Großchance an Szczęsny.

Kevin Danso (ab 59.): Spielte dort weiter, wo er gegen Frankreich aufgehört hatte. Staubtrocken, zweikampfstark, saubere Lösungen im Spielaufbau. Manchmal hat man das Gefühl, dass sich der Lens-Legionär mit den eigenen Ballvorlagen etwas viel zumutet, aber es geht sich immer aus.

Alexander Prass (ab 63.). Ersetzte Mwene, warf sich ebenso wie sein Vorgänger in die Zweikämpfe und spielte zudem den perfekt getimten und temperierten Pass, der zum 2:1 führte. Ist zu einer echten Alternative links hinten gereift.

Michael Gregoritsch und Romano Schmid (ab 81.) kamen zu einem Zeitpunkt in die Partie, als diese spannend wie eine russische Präsidentschaftswahl war, aber fügten sich in das Schiff auf Oberwasser nahtlos ein – sorgten gar noch für abschließende Gefahr. Auch beim Teamjubel irre präsent, zielstrebig und engagiert. (Andreas Hagenauer, 22.6.2024)