Der neue Leopard 2 ist nicht mehr auf eine Besatzung im Turm angewiesen.
KNDS

Der Leopard 2 gilt als einer der besten Kampfpanzer der Welt. Die Varianten A4 und A6 sind aktuell in der Ukraine im Einsatz und scheinen im Gegensatz zum Abrams aus den USA auch bei den ukrainischen Besatzungen gut anzukommen. Aber ihre Zahl schwindet durch die Abnutzung im Gefecht und den nicht unerheblichen Wartungsaufwand der Kampfpanzer. Dazu kommt ein Faktor, der den gepanzerten Verbänden auf beiden Seiten des Krieges massiv zusetzt: Drohnen. Zwar ist die Überlebenschance der Besatzung im Vergleich zu russischen Panzern in einem Leopard 2 bei einem Drohnentreffer sehr hoch, und auch viele getroffene Fahrzeuge können wieder Instand gesetzt werden, aber der Panzer ist dennoch längere Zeit außer Gefecht.

Das ist nur eines der Probleme, die der neue Leopard 2 A-RC 3.0 lösen soll. Die Zukunft der Kampfpanzer nach den Vorstellungen des Rüstungskonzerns KNDS bringt eine integrierte Drohnenabwehr, eine 140-mm-Hauptkanone sowie einen Werfer für Panzerabwehrlenkwaffen.

Nur noch drei Mann Besatzung

Die größte Neuerung ist natürlich der unbemannte und teilautonome Turm. Das soll vor allem der Besatzung besseren Schutz bieten, weil sie sich nicht mehr im exponiertesten Teil des Fahrzeuges aufhält. Stattdessen nimmt dreiköpfige Besatzung in einer schwer gepanzerten Kapsel in der Wanne des Fahrzeuges Platz. Kommandant und Schütze sitzen hinter dem Fahrer, dessen Position nahezu unverändert bleibt.

Das vierte Besatzungsmitglied, der Ladeschütze, wird im Leopard 2 A-RC 3.0 durch ein automatisches Nachladesystem ersetzt. Dieser soll in der Lage sein, alle 3,3 Sekunden ein Geschoß nachzuladen. Gleichzeitig soll die Munitionskapazität insgesamt erhöht werden. Wie viel genau, geht aus den Unterlagen von KNDS nicht hervor.

LEOPARD 2 A-RC 3.0: Upgrade to unmanned turret technology
KNDS Deutschland

Der deutlich flachere Turm soll darüber hinaus nur auf der Wanne aufgesetzt sein. Der Turm selbst dringt also nicht in die eigentliche Wanne ein. Bei bemannten Türmen befindet sich im Inneren eine Art Käfig, in dem Kommandant, Richt- und Ladeschütze arbeiten. Das neue Design soll zusätzlich zum Schutz der Besatzung beitragen, da es in der Panzerwanne keine konstruktionsbedingten Schwachstellen mehr gibt. Durch die Gewichtseinsparung soll das Gewicht des Leopard wieder auf unter 60 Tonnen sinken. Der bemannte Leopard 2 hatte von Variante zu Variante an Gewicht zugelegt und war bis zum A7V auf fast 72 Tonnen Gefechtsgewicht angewachsen.

An dieser Stelle eine kleine Randbemerkung aus der Kategorie "Unnützes Wissen" zur Bezeichnung A7V: Dabei handelt es sich um einen Scherz oder ein Easter-Egg. Statt den Panzer einfach A8 zu nennen, entschied man sich für die Variante A7 Verbessert. Der A7V war gleichzeitig der erste jemals in Serie gefertigte deutsche Panzer und wurde im Ersten Weltkrieg eingesetzt.

Kleinerer Turm, weniger Trefferfläche

Aber zurück zum Leopard 2 A-RC 3.0: Der Turm selbst soll nach Angaben des Herstellers deutlich kleiner sein als der des bemannten Leopard 2. KNDS gibt an, die Trefferfläche um 30 Prozent verringert zu haben. Der modular aufgebaute Turm soll in der Lage sein, die 120-mm-Glattrohrkanone mit 44 oder 55 Kaliberlängen aufzunehmen, wie sie nicht nur beim Leopard 2, sondern auch beim M1A2 Abrams verbaut ist. Alternativ dazu kann der Turm aber auch mit einer 130-mm- oder gar künftig mit einer 140-mm-Kanone ausgestattet werden.

Dass in naher Zukunft die 120-mm-Kanone durch ein größeres Kaliber ersetzt wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Noch gilt das 120-mm-Kaliber als völlig ausreichend, jedoch beschreibt etwa die deutsche Bundeswehr das Entwicklungspotenzial der Kanone als ausgeschöpft. Laut Nexter ist eine 140-mm-Bewaffnung für die 2040er-Jahre geplant.

Eine "mitwachsende" Kanone

Nexter selbst arbeitet an einem Kanonenprogramm. Unter dem bemüht kreativen Codenamen Ascalon (Autoloaded and SCALable Outperforming guN) will man eine eigene 140-mm-Waffe entwickeln. Das Besondere daran: Bis es so weit ist, kann das Ascalon-System auch für kleinere Kaliber umgerüstet werden. Das Rohr soll binnen einer Stunde ausgetauscht werden können. Auch der Verschlussmechanismus der Kanone soll anpassbar sein. Natürlich ist die Kanone stabilisiert, den beliebten Bierkrug-Test sollte der Leopard 2 auch mit der neuen Ascalon-Kanone ohne Probleme bestehen.

Kann der neue Leopard 2 auch: Einen Bierkrug auf der Kanone balancieren
Forces News

Im Turm befindet sich darüber hinaus noch ein Pop-up-Werfer für Panzerabwehrlenkwaffen. Dieser soll dem Leoparden zusätzliche Feuerkraft auf Distanzen von bis zu sechs Kilometern verleihen. Mit der Anti-Panzer-Lenkwaffe sollen auch Ziele außerhalb des eigentlichen Sichtbereichs bekämpft werden können. Der Werfer kann aber noch mehr: Je nach Konfiguration können von dort aus auch Kamikaze-Drohnen gestartet werden. Die Drohne kann anschließend aus dem Inneren des Fahrzeugs ferngesteuert werden.

Das auffälligste Merkmal ist aber zweifelsohne die ferngesteuerte Waffenstation mit einer 30-Millimeter-Schnellfeuerkanone im Tandem mit einer achtfachen Nebelwurfanlage in einem Gehäuse auf der linken Seite des Turms. Die ferngesteuerte Kanone ist ausdrücklich auch für die Drohnenabwehr vorgesehen.

Hardkill-System

Wie in der Version A8 verfügt der neue Leopard auch über das israelische Trophy-Hardkill-System. Dieses besteht aus vier kleinen Radarantennen und zwei Abschussvorrichtungen. Nähert sich Projektil, wird wenige Meter vor dem Einschlag die Ladung gezündet, und ein Splitterkegel zerstört das anfliegende Geschoß. Nach dem Abschuss wird die Einheit durch ein automatisches Nachladesystem neu bestückt.

Gut zu erkennen ist die 30-mm-Kanone samt der Nebelwurfanlage. Daneben sieht man den Pop-up-Werfer für Panzerabwehrlenkwaffen und Drohnen.
KNDS

Trophy kann aber noch mehr: Das Bordsystem kann aus der Flugbahn des angreifenden Projektils dessen Ursprung ermitteln. Die Besatzung weiß somit, wo sich der Angreifer befindet, und kann feindliche Schützen unverzüglich bekämpfen. Ob dieses Trophy-System anfliegende Drohnen erkennt und die 30-mm-Kanone abfeuern kann, ist unklar. Bei The Warzone hält man es jedenfalls für nicht unwahrscheinlich, dass die Drohnenabwehr mit dem Hardkill-System gekoppelt ist.

Nach Angaben von KNDS verfügt der Leopard 2 A-RC 3.0 über eine Sensorausstattung, die schon jetzt fit für einen künftigen unbemannten Einsatz sein soll. Das Ziel dürfte also sein, den Leopard 2 langfristig in eine Bodendrohne zu verwandeln. Die dafür nötige Drive-by-Wire-Funktion ist ebenfalls bereits implementiert.

Als zusätzliche Schutzmaßnahme wurde offenbar an der Front und den Seiten des Panzers eine sogenannte Reaktivpanzerung angebracht. Dabei handelt es sich um kleine mit Sprengstoff gefüllte Kacheln. Trifft ein Projektil auf eine der Kacheln, explodiert der Sprengstoff und schleudert dem Geschoß eine Metallplatte entgegen, die dessen Wirkung abschwächen soll. Reaktivpanzerung ist im Ukrainekrieg allgegenwärtig und mittlerweile offensichtlich auch bei westlichen Waffensystemen angekommen.

Warten auf den Super-Panzer

Laut Herstellerangaben sollen auch bestehende Leopard 2 aufgerüstet werden können. Der A-RC 3.0 soll ein "technologischer Wegbereiter" für eine völlig neue Generation an Kampfpanzern sein. Das deutsch-französische Rüstungsunternehmen arbeitet aktuell am sogenannten Next-Generation Land Combat System (MGSC). Dessen Entwicklung wurde 2018 gestartet und umfasst neben einem europäischen Kampfpanzer auch ein "System der Systeme", das am Ende der Entwicklung eine ganze Reihe von bemannten und unbemannten Gefechtsfahrzeugen hervorbringen soll.

Der MGSC-Panzer soll letztendlich den mittlerweile bald 50 Jahre alten Leopard 2 und den etwas jüngeren französischen Leclerc ersetzen. Schon 2026 soll der erste Prototyp gezeigt werden. Bis das System aber so weit ist, werden wohl noch 20 Jahre vergehen. Bis dahin sollen der A-RC 3.0 oder das Konkurrenzprodukt von Rheinmetall, der KF-51 Panther, die technologische Lücke füllen. (Peter Zellinger, 23.6.2024)