Die grüne Justizministerin Alma Zadić.
Muss das Gesetz bis zum Jahreswechsel reparieren: Justizministerin Alma Zadić.
APA/ROBERT JAEGER

Eines ist bereits sicher: Die Auswertung der Smartphones von Verdächtigen wird sich in Zukunft grundlegend ändern. Wie genau das passieren wird, darüber ist gerade eine hitzige Debatte entbrannt. Denn die grüne Justizministerin Alma Zadić hat nicht nur einen komplizierten Gesetzentwurf in eine äußerst kurzfristige Begutachtung geschickt. Die Novelle sorgt speziell wegen der Rolle, die der Polizei zugedacht wird, für Aufregung. DER STANDARD hat die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Frage: Noch einmal von vorn: Warum ist das jetzt überhaupt Thema?
Antwort: Der Verfassungsgerichtshof hat im vergangenen Dezember die Sicherstellung von Smartphones und sonstigen mobilen Datenträgern in Strafverfahren ohne richterliche Genehmigung für verfassungswidrig befunden. Das war die bisherige Praxis. Aus Sicht des Höchstgerichts verstößt das gegen das Datenschutzgesetz und das Recht auf Privatleben. Dem Justizministerium war seither klar, dass es die Strafprozessordnung bis zum Jahreswechsel reparieren muss.

Frage: Und ist das passiert?
Antwort: Es sieht danach einer Reparatur aus, denn es gibt nun einen Gesetzesentwurf. Darin wurde die aktuelle Sicherstellung von Handys "aus Beweisgründen", wie es im alten Text hieß, in der Novelle durch "Beschlagnahmung von Datenträgern und Daten" ersetzt. Und diese erfordert eine gerichtliche Bewilligung. Das sehen juristische Fachleute durchaus positiv. Ein derartiger Grundrechtseingriff ohne Gerichtsbeschluss sei ein untragbarer Zustand gewesen, lautet der allgemeine Tenor. Allerdings monieren Juristinnen und Juristen, dass der Entwurf von Justizministerin Alma Zadić über das Ziel hinausschießt.

"Die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten ist durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen."
Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024

Frage: Inwiefern?
Antwort: Grob zusammengefasst, soll künftig ausschließlich die Kriminalpolizei Handydaten sicherstellen und aufbereiten können. Das wird im Entwurf deutlich hervorgehoben. Darin heißt es, dass die Beschlagnahmung von Daten – nach gerichtlicher Bewilligung – von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden kann und von der Kriminalpolizei durchgeführt werden soll. "Ausschließlich" die Kripo wäre demnach auch für das Aufbereiten der Daten zuständig, ebenso für das Erstellen von Arbeitskopien. Das heißt, die Polizei bereitet die Beweise vor, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte erst im Nachgang zu sehen bekommen. In Kooperation sollen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft festlegen, nach welchen "Suchparametern" diese Daten durchleuchtet werden sollen.

Frage: Und was ist daran problematisch?
Antwort: Für den früheren Staatsanwalt Gerhard Jarosch ist der Knackpunkt, dass die Hoheit über die sichergestellten Daten explizit der dem Innenministerium unterstellten Kriminalpolizei zufallen würde. "Das verwundert mich", sagt Jarosch, der mittlerweile in der Rechtsanwaltskanzlei Lansky, Ganzger, Göth & Partner tätig ist. "Das gibt es sonst nirgends in der Strafprozessordnung." Auch wenn der Jurist der Exekutive niemals unterstellen möchte, Amtsmissbräuche zu begehen, optisch wirke das so, als bekomme die Polizei etwas in der Art einer komischen "Vorfilterfunktion". Das käme einem Systembruch gleich. Herrin des Verfahrens sei die Staatsanwaltschaft, betont Jarosch und fügt an: "Bei 08/15-Fällen mag das unproblematisch wirken, im Hinblick auf Korruptionsfälle habe ich aber Bedenken."

"Die ausschließlich für die forensische Aufbereitung von Datenträgern und Daten zuständige Organisationseinheit der Kriminalpolizei hat eine Originalsicherung herzustellen, eine Arbeitskopie zu erstellen und anhand dieser die Aufbereitung von Daten durchzuführen."
Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024

Frage: Wie würde sich die neue Regelung auf die tägliche Arbeit der Staatsanwaltschaft auswirken?
Antwort: Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte fürchten um ihre Kontrollfunktion im Ermittlungsverfahren. Und das könnte im aus ihrer Sicht schlechtesten Fall reale Auswirkungen haben: In der Causa rund um den ehemaligen Spitzenbeamten Thomas Schmid konnte die "Soko Tape" des Innenministeriums einst auf Handys und Datenträgern angeblich keine relevanten Daten finden. Die Korruptionsjäger der Justiz hingegen schon. Umfangreiche Ermittlungen mitunter gegen Altkanzler Sebastian Kurz waren die Folge. Es herrscht die Befürchtung vor, dass relevante Beweise so unentdeckt bleiben könnten.

Frage: Kommt die Reform der ÖVP, die Handyauswertungen durch die Staatsanwaltschaft in ihrem Umfeld stets kritisch betrachtete, zupass?
Antwort: Der türkise Generalsekretär Christian Stocker sieht das Gesetz mit dem Entwurf repariert. Auswirkungen habe die Novelle aus Stockers Sicht allen voran auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), da sie besonders stark in Ermittlungen involviert sei, sagte er in am Mittwochabend in der ZiB 2. Die Volkspartei hatte die WKStA unter Kurz allerdings besonders scharf kritisiert. Kurz diffamierte sie etwa als "rote Zelle" – während die Grünen sie stets verteidigt hatten.

Die geplanten Änderungen sind für die Grünen nun aber kein Grund zur Aufregung. Es wird sich zwar einiges ändern, sagt die grüne Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer zum STANDARD. Das ergebe sich aber in erster Linie aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs. Es dürfen, so Prammer, schlicht nur noch jene Daten durchforstet werden, die gerichtlich bewilligt werden.

Die Zuständigkeit über die Daten sei wiederum "keine Wertungsfrage", sondern eine der Ressourcen. "Schon jetzt kann das die Staatsanwaltschaft alleine niemals stemmen", sagt Prammer. "Aber das heißt nicht, dass die Justiz, sollte sich in den Ermittlungen aus den Daten etwas Neues ergeben, nicht neue Auswertungen beantragen könne." Darüber hinaus sei es laut dem aktuellen Entwurf möglich, dass die Korruptionsjäger in besonderen Fällen oder wenn es der Verfahrensbeschleunigung dient, bei Gericht beantragen, dass ihre IT-Teams die Daten aufbereiten.

"Die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei können Suchparameter zum Zweck der Auswertung des Ergebnisses der Datenaufbereitung festlegen."
Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024

Frage: Wie arbeiten Justiz und Kripo derzeit zusammen?
Antwort: Eigentlich sehr eng. "In komplizierten Fällen, etwa bei Drogenbossen oder Schleppern, in denen Bewegungsdaten wichtig sind, sitzt die Staatsanwaltschaft mit Polizeibeamten beisammen und sagt: Das brauchen wir", erzählt Jarosch. Ob diese Praxis angesichts des aktuellen Entwurfs so noch möglich wäre, sei nicht klar zu beantworten. Die Auswertung liege aber schon jetzt zu 99 Prozent bei der Polizei.

Denn die Justiz verfüge – wie schon zuvor erwähnt – in der Regel gar nicht über die notwendige Technik und über ausreichend Personal, um Daten in großem Stil auszuwerten. "Am ehesten trifft das noch auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu, die einen heiklen Fall komplett an sich ziehen könnte, aber das ist eher die Ausnahme."

Frage: War das schon alles?
Antwort: Nein. Den ehemaligen Präsidenten der Vereinigung der Staatsanwälte, Gerhard Jarosch, ärgert außerdem, dass für den Entwurf lediglich eine zweiwöchige Begutachtungsfrist vorgesehen ist. Das sei ein "unrechtsstaatlicher und undemokratischer Vorgang", weil in dem Entwurf noch deutlich mehr Reformen enthalten seien, etwa das Herabsetzen der Höchstdauer von Ermittlungsverfahren von drei auf zwei Jahre.

Die Grünen entgegnen: Man hätte die Reform gerne selbst eher auf den Weg gebracht. Aber Verhandlungen brauchen Zeit, und die Legislaturperiode der Bundesregierung neige sich langsam dem Ende zu. Deshalb wollen die Grünen das Gesetz noch im Juli auf den Weg bringen. Das Justizressort will nun einmal die Begutachtung des Gesetzes abwarten und gegebenenfalls präzisieren. (Jan Michael Marchart, 20.6.2024)