Das Bild zeigt Copilot+-Notebooks
Microsoft hofft, dass in den nächsten zwölf Monaten mehr als 50 Millionen der neuen "KI"-PCs verkauft werden.
AP/Lindsey Wasson

Es ist der Beginn eines "neuen Zeitalters von Windows KI-PCs", wenn man Microsofts Versprechen Glauben schenken möchte. Seit 18. Juni sind die "schnellsten und intelligentesten Windows-PCs" verfügbar, folgt man dem Narrativ aus Redmond weiter. Es gibt nur ein kleines Problem: Laut ersten Tests handelt es sich nicht um die schnellsten Geräte – und auch die "Intelligenz", also der namensgebende Copilot+, war beim gestrigen Start noch nicht so verfügbar, wie man ihn in Aussicht gestellt hatte.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Microsoft sehr stolz eine neue Initiative für Computer-Hardware vorgestellt. Unter der Bezeichnung "Copilot+"-PC kündigte man vollmundig an, sich mit Apple und deren Macbooks anlegen zu wollen. Das Konzept dafür ist im Rahmen des gegenwärtigen Hypes um KI-gestützte Tools einleuchtend: Mit Partnern wie Dell, Lenovo, HP, Acer und Asus stellte man ein Programm aus zahlreichen Windows-Notebooks vor, die mit spezieller Hardware besonders gut für den künftigen KI-gestützten Rundum-Support des eigenen Betriebssystems geeignet sein sollen.

Das Recall-Desaster

Das erste große Problem ließ in diesem Zusammenhang nicht lange auf sich warten: Ein neues Feature namens Recall sorgte für Aufregung, weil man damit eine neue Suchfunktion einführen wollte, die alle fünf Sekunden die Bildschirminhalte der Nutzerinnen und Nutzer aufzeichnen sollte. Was als Möglichkeit gedacht war, vergangene Aktivitäten jederzeit abrufen zu können, entpuppte sich rasch als künftiges Sicherheits-Desaster für Windows-User.

Als Sicherheitsforscher darauf aufmerksam machten, beschloss Microsoft zunächst, über eine obligatorische Authentifizierung für eine bessere Absicherung der erhobenen Daten zu sorgen. Das änderte nur wenig an der Kritik der Experten, weshalb man kurzerhand beschloss, den Start des umstrittenen Features vorerst komplett auf die lange Bank zu schieben.

Ergo erscheinen also auch die neuen Notebooks vorerst ohne Recall. Diese kurzfristige Entscheidung ist im Übrigen auch der Grund, weshalb Medien in Europa bis jetzt noch keine Surface-Geräte von Microsoft zum Testen erhalten haben.

Ein Neustart mit ARM

Ein wesentlicher Vorteil der neuen Hardware soll nicht nur darin bestehen, KI-gestützte Prozesse auf eigene Chips, sogenannte Neural Processing Units (NPU), auszulagern, sondern parallel zur x86-Architektur auch wieder auf ARM zu setzen. In diesem Fall auf Produkte aus dem Hause Qualcomm in Form des Snapdragon X Plus oder Snapdragon X Elite.

Nach Angaben des Herstellers versprechen die Chips schneller als Apples M3, aber auch Intels kleinere der beiden neuen Core-Ultra-Varianten zu sein. Größter Bonus soll eine enorm gesteigerte Akkulaufzeit der Notebooks von weit über 15 Stunden sein. Die Kehrseite der Medaille hingegen ist, dass man neben dem Verlust der freien Treiberwahl auch mit Kompatibilitätsproblemen konfrontiert ist. Wo es noch keine native Anwendung gibt, soll eine Emulationsschicht von Microsoft diese Hürde überwinden.

Ernüchternde Hardware-Tests

Erste Tests zeigen nun, dass das neue Zeitalter offenbar noch auf sich warten lässt. So kommt etwa Computerbase am Beispiel des Asus Vivobook S15 zu dem Schluss, dass Copilot+-PCs noch kein perfekter Ersatz für die x86-Architektur seien. Das liegt zum einen daran, dass sich die App-Kompatibilität zwar verbessert habe, aber immer noch Lücken auszumachen seien.

Zum anderen könne die Leistung auch nur bei bestimmten Anwendungen mit der Konkurrenz mithalten. Ein deutlicher Nachteil dürfte die Grafikleistung sein, die deutlich hinter AMD und Intel zurückbleibt. Insbesondere für das Einsatzgebiet Gaming zeigt sich über Abstürze und Performance-Einbrüche, dass die Plattform noch nicht ausgereift ist. Bemängelt wurde nicht zuletzt, dass das Kernfeature Copilot+ nicht getestet werden konnte.

Zu einem milderen, aber ähnlichen Urteil kommt man auch bei Notebookcheck. Dort wird hervorgehoben, dass die neue Hardware im positiven Sinne nicht mit Microsofts schwachen ARM-Produkten aus der Vergangenheit vergleichbar sei und die Erfahrung einem Modell mit x86-Architektur schon sehr nahekomme. Dennoch müsse man sich als Nutzerin oder Nutzer bewusst sein, dass nicht automatisch alle Anwendungen laufen würden und man bei der Auswahl eingeschränkt sei, wenn man mit den Notebooks auch mal etwas spielen möchte.

Einen nicht unwesentlichen Aspekt hebt man sich für den Schluss auf: Das Intel-Pendant kostet genauso viel wie die ARM-Version, und eine ähnliche AMD-Variante des getesteten Modells sogar deutlich weniger – in vielen Szenarien bleibe es in Anbetracht der Performance also fraglich, weshalb man derzeit überhaupt zur neuen Option greifen solle. Den Bonus einer deutlich längeren Akkulaufzeit kann die ARM-Architektur nämlich auch nicht immer ausspielen.

Bitte warten

Während es also klug sein dürfte, weitere Hardware-Iterationen dieser Copilot+-PCs abzuwarten, lässt sich die neueste Version von Windows 11 ohnedies noch Zeit. Version 24H2, die auf der neuen Hardware offensichtlich auch erst in Kürze zu erwarten ist, wird erst im Herbst auf breiterer Basis für alle PCs ausgerollt. Das liegt mitunter daran, dass neue Chips von AMD und Intel Features von Copilot+ ebenso unterstützen werden, entsprechende Geräte allerdings voraussichtlich erst ab Juli in den Handel kommen. Sollte man grundsätzlich mit einer Neuanschaffung liebäugeln, ist es jedenfalls ratsam, sich noch ein paar Monate zu gedulden. Oder – entsprechende Anwendungsszenarien vorausgesetzt – gleich zu einem Macbook zu greifen. (bbr, 19.6.2024)