"Hallo Heinz! Ich bin begeistert!!!! Dank deiner Empfehlung konnte ich ein Gespräch mit Minister Gulyás führen, das von Wohlwollen und zielorientierter Zusammenarbeit geprägt war. Jetzt können wir mit der Suche nach geeigneten Objekten beginnen. Laut Gulyás steht einer Genehmigung nichts mehr im Wege." Diese euphorische Nachricht erhielt am 9. Mai 2019 der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) vom Tiroler Unternehmer und einer der Eigentümer von Obi-Baumärkten, Alois Wegscheider.

Strache im Frühjahr 2019 in der ungarischen Staatskanzlei auf der Burg mit Gulyás (2.v.l.) und Orbán (3. v.l.) und anderen ungarischen Politikern. 
Heinz-Christian Strache im Frühjahr 2019 in der ungarischen Staatskanzlei auf der Burg mit Gulyás (2. v. li.), Orbán (3. v. li.) und anderen ungarischen Politkern.
Victor Orban Facebook

Wegscheider hatte bei Strache seit Februar 2019 urgiert, dass er ihm "einen Draht legen" möge, damit er einen Baumarkt in Debrecen errichten könne. Denn das ungarische Plaza-Stop-Gesetz erschwerte dies. Das Gesetz sollte eigentlich einen Wildwuchs von Einkaufszentren in Ungarn eindämmen. Seit 2012 kann man Geschäftsflächen, die größer als 400 Quadratmeter sind, nur mehr errichten oder ausbauen, wenn zuständige Behörden nach einem speziellen Verfahren ihre Zustimmung erteilen.

Der Ballgast

Genau dieses Problem erklärt Wegscheider auch Strache in seinen Chats und weist den Vizekanzler am Tag des Opernballs im Februar 2019 darauf hin, dass nur mit "Unterstützung" von Straches "Ball-Gast Minister Gulyas" eine Ansiedlung realisiert werden könne.

Das aktuelle Cover der Wochenzeitung HVG.
Das aktuelle Cover der Wochenzeitung "HVG".
HVG

Die Nachrichten sind Teil von insgesamt rund 180 Seiten Chatprotokollen, die der STANDARD zugespielt bekam und die Gegenstand des parlamentarischen Untersuchungsausschusses über einen "rot-blauen Machtmissbrauch" sind.

Eine Recherche des STANDARD und der ungarischen Wochenzeitung HVG ging der Frage nach, wie die Korrespondenz zwischen Wegscheider und Strache wie auch jene zwischen Strache und Walter Schiefer, dem damaligen Vertrauten von Drogeriemarkt-Boss Erwin Müller, mit der Realisierung von deren Projekten zusammenhing.

Die Chats des Ex-Vizekanzlers vermitteln jedenfalls den Eindruck, dass Strache viel Zeit damit verbrachte, Begehrlichkeiten und Wünsche von finanzstarken Unternehmern zu erfüllen: die Partei des kleinen Mannes, die "gegen das System" ankämpfen will, als Ombudsstelle für Reiche und Mächtige – und für andere Rechtspopulisten und Rechtsextreme.

Die Verbündeten

Denn was die FPÖ heute für die in der EU geächtete AfD ist, brauchte auch Viktor Orbáns Regierung schon vor fünf Jahren: Verbündete in der EU, wo er isoliert dasteht.

Es wäre also nachvollziehbar, dass man dem blauen Vizekanzler in der Budaer Burg gerne beim Erfüllen des einen oder anderen Wunsches behilflich war. Umgekehrt erinnert Strache auch seinen Bittsteller Wegscheider in einer Nachricht daran, dass er auf dessen Hilfe "baue", worauf ihm dieser sofort antwortet, selbstverständlich zu seinem Wort zu stehen.

Was die Chats jedenfalls belegen, ist, dass Strache in der Causa Obi gegenüber dem Ex-Botschafter in Wien und Staatssekretär Vince Szalay-Bobrovniczky und Orbáns Kabinettschef Gergely Gulyás aktiv wurde. Szalay-Bobrovniczky meldete auch an Strache positiv zurück, Termine für Wegscheider mit Gulyás fixiert zu haben.

Eine von vielen OBI-Baumarkt-Filialen in Ungarn.
Eine von vielen Obi-Baumarkt-Filialen in Ungarn.
István Fazekas

Strache selbst erklärt auf Nachfrage des STANDARD, dass seine damalige "Kontaktaufnahme mit Ungarn" lediglich "österreichischen Unternehmern eine Gesprächsebene nach Ungarn" aufbauen sollte. Und weiter: "Meines Wissens wurden keine Investitionen von Herrn Wegscheider in Ungarn getätigt."

Das schreibt auch Wegscheider, der ebenfalls vom STANDARD konfrontiert wurde: "Die Umsetzung war schwierig, aber von Herrn Strache positiv initiiert. Es wurden unsererseits keine Investitionen in Ungarn getätigt."

Der Eigentümer

Tatsächlich wurden Obi-Märkte in Ungarn nicht von Obi gebaut, sondern nur gemietet. Jedoch war etwa die Investorenfirma beim Obi-Markt in der Stadt Kiskunhalas eine Firma, die zwei Wochen nach Wegscheiders euphorischer SMS gegründet wurde. Und einer ihrer Eigentümer ist ein ehemaliger Mitarbeiter mehrerer Obi-Filialen in Ungarn.

Die Zusammensetzung des Gremiums, das über Ausnahmen beim Plaza-Stop-Gesetz entscheidet, wurde nie veröffentlicht.

Aus dem Büro des Ministerpräsidenten heißt es: "Gergely Gulyás ist und war nie an der Arbeit des Gremiums zum Thema Einkaufszentrum beteiligt." Er habe Strache nur dreimal während dessen Amtszeit und einmal danach – weil ihn Strache für dessen Buch sprechen wollte – getroffen.

Was heute sicher ist: 2019 eröffnete Obi einen Showroom in Debrecen, und im Jahr 2022 eröffnete ein 7800 Quadratmeter großer Obi-Markt in Pécs.

Wären da noch die eingangs erwähnten Chats von Walter Schiefer, der 2020 aus dem Müller-Imperium ausschied und heute schwer zu finden ist. In der Firma Green 3 Immo GmbH, wo der Steirer als Geschäftsführer eingetragen ist, kennt ihn die Mitarbeiterin, die das Telefon abhebt, zuerst nicht.

Nach mehreren Anrufen des STANDARD ist es nicht möglich, einen Rückruf von Schiefer zu erhalten oder auch nur seine E-Mail-Adresse zu erfahren. Man willigt schließlich ein, ihm eine E-Mail weiterzuleiten. Nach über einer Woche gibt es keine Stellungnahme zu den Chats von Schiefer.

Der Bürgermeister

2019 jedenfalls schrieb Schiefer mehrere Nachrichten an Heinz-Christian Strache. "!Du bist Spitze!", lautete eine im März 2019. Und im April bittet Schiefer in einer weiteren Nachricht um ein Telefonat: "Es geht um unser Projekt in Budapest! Danke, Walter".

Am 1. Mai, etwas mehr als zwei Wochen bevor das Ibiza-Video Straches Vizekanzlerschaft beendet, schreibt Schiefer: "Freue mich schon, wenn wir uns auf Ibiza treffen! P.S.: Morgen haben wir um 9.00 mit dem Bürgermeister von Budapest eine Telefonkonferenz!! Danke für Deine Unterstützung! Erwin Müller freut sich wirklich über deine Hilfe!"

Einige Stunden später schreibt Schiefer detaillierter über das Bauvorhaben des "Welthauses" in Budapester Bestlage. Dafür müsse aber noch ein Gebäude abgerissen werden, und dafür brauche man die Politik. Ein Abbruch "im Herbst nach den Wahlen" sei der Plan – gemeint waren die ungarischen Kommunalwahlen im Oktober 2019.

Der liebe Freund

Strache verweist danach auf eine Nachricht von Vince Szalay-Bobrovniczky. Dieser sei "ein lieber Freund", und Strache sei davon "überzeugt, dass euch alles positiv geregelt wird". Auch eine Anfrage von HVG beim Müller-Konzern blieb unbeantwortet.

Die siebenstöckige Baustelle von Müller in der Einkaufsstrasse Váci utca in Budapest.
Die siebenstöckige Baustelle von Müller in der Einkaufsstraße Váci utca in Budapest.
Zsolt Reviczky

Erwin Müller besitzt seit 2019 bereits ein siebenstöckiges Gebäude im Zentrum der Váci-Straße im Pester Stadtteil Belváros, in dem 40 repräsentative Wohnungen und 3000 Quadratmeter Verkaufsfläche, darunter auch Müllers, entstehen werden.

Die Müller-Gruppe hatte mehr als ein Jahrzehnt lang um die Wiederbelebung des ehemaligen Fontana Fashion House gekämpft, als sie im Oktober 2020 bekanntgab, dass sie die Abriss- und Baugenehmigung erhalten habe. (Yvette Szabó, Colette M. Schmidt, Márton Gergely, 19.6.2024)