Ein grandioser Ausblick über Wien, Studiengebühren von bis zu 7000 Euro pro Semester und Abschlüsse in Fächern wie "International Management" oder "Sustainable Development, Management and Policy": Die Modul-Universität auf dem Wiener Kahlenberg zählt zu den bekanntesten Bildungseinrichtungen in Österreich. Und man gibt sich dezidiert weltoffen: Auf ihrer Website wirbt die Uni mit der Diversität ihrer Studierenden, mit Umweltschutz und sozialer Verantwortung als "Grundprinzipien" ihrer Einrichtung.

Regenbogenfahne
Diese Regenbogenfahne weht vor dem Rathaus im deutschen Hamburg. Bei der Wiener Modul-Uni ist eine solche nicht erwünscht – laut dem Rektor deshalb, weil ausschließlich am Nationalfeiertag und bei Sterbefällen Fahnen gehisst würden. Kritiker indes orten Orbáns Einfluss hinter der Entscheidung.
APA/dpa/Georg Wendt

Doch anders als an vielen anderen österreichischen Universitäten weht vor der Modul-University im Pride-Month Juni keine Regenbogenfahne. Die Universitätsleitung hatte eine entsprechende Forderung von Mitarbeitenden explizit und schriftlich abgelehnt. Letztere vermuten dahinter den Einfluss des neuen Eigentümers der Universität – der dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán nahesteht.

Angst vor Unterwanderung

Vergangenen Mai übernahm das Mathias-Corvinus-Collegium (MCC) mit Sitz in Budapest 90 Prozent der Modul-University. Der vorige Mehrheitseigentümer, der britische Unternehmer Suresh Sivagnanam, hatte sich überraschend zurückgezogen.

Das MCC präsentiert sich als Bildungseinrichtung und Denkfabrik, gilt jedoch als akademisches Propagandaorgan und Kaderschmiede Orbáns und als Instrument zur Vernetzung rechter Kräfte in Europa. In einer Ende Mai publizierten Recherche beschreibt die Rechercheplattform Correctiv, wie das MCC versuche, angesehene europäische Institutionen zu unterwandern, neben der Modul-Universität in Wien etwa die renommierte Berliner European School of Management and Technology (ESMT).

Seit September 2023 sitzen im Rat der Modul-University hochrangige MCC-Vertreter. Darunter Zoltan Szalai, Generaldirektor des MCC und Chefredakteur des regierungsnahen Mandiner-Newsmagazins. Oder Balázs Szepesi, der unter Orbán unter anderem zwischen 2018 und 2020 stellvertretender Staatssekretär für wirtschaftliche Entwicklung war.

"Pakt mit dem Teufel"

Schon im vergangenen Mai warnte ein Mitarbeiter der Universität im Gespräch mit dem STANDARD vor einem "Pakt mit dem Teufel". Rektor Karl Wöber versicherte, die Übernahme werde "keine Auswirkungen auf die Inhalte und den Lehrplan der Modul University Vienna" haben.

Gut ein Jahr danach jedoch scheinen sich viele Befürchtungen bewahrheitet zu haben. Das Klima an der Universität habe sich seit der Übernahme verändert, erzählen Mitarbeiter dem STANDARD. Sie sprechen von subtilem Einfluss, Personal würde etwa aufgefordert, sich politisch hinter dem Berg zu halten.

Eine weitere Mitarbeiterin berichtet dem STANDARD von "kleinen, unscheinbaren Versuchen" der Einflussnahme des MCC. Beispielsweise lädt die Modul-Uni seither über ihre offiziellen Kanäle regelmäßig zu MCC-Veranstaltungen ein. Versuche, direkten Einfluss auf ihre Lehrinhalte zu nehmen, habe es jedoch keine gegeben: "Ich unterrichte hier Dinge, die mit den Werten des MCC sicherlich nicht übereinstimmen", sagt die Mitarbeiterin, die seit Jahren auf dem Kahlenberg tätig ist und das offene, progressive Klima dort bisher sehr schätzte.

Pro-Putin-Forschung

Das deutsche ZDF berichtete Anfang Juni in einer Reportage über den ideologischen Einfluss des MCC in Europa auch über die Uni auf dem Kahlenberg. Darin wird ein anonymisierter Mitarbeiter zitiert: "Kurz nach der Übernahme haben sich Leute mit recht extremen und merkwürdigen politischen Einstellungen an der Universität beworben, sich beim Einstellungsgespräch gebrüstet, eine Pro-Putin- und eine Pro-Orbán-Haltung zu haben. Solche Forscher sind jetzt Lehrkräfte und unterrichten und wurden vom Dekan eingestellt." Modul-Uni-Rektor Karl Wöber erklärt auf STANDARD-Nachfrage, dass die zwei Dekaninnen beziehungsweise der Dekan der Universität ihm "in einem persönlichen Gespräch versicherten, dass die besagten Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen". Auch das MCC spricht auf Nachfrage von "falschen Anschuldigungen".

Die Modul-Universität auf dem Wiener Kahlenberg.
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Dass die Forderung nach einer Regenbogenfahne an der Universität seitens des Rektorats abgelehnt wurde, sei der "skurrile Höhepunkt" der Entwicklung des letzten Jahres, so ein Mitarbeiter: "Für mich war's irgendwie klar, dass das MCC nicht zulassen wird, eine Regenbogenfahne an ihrer Universität zu hissen." Der Angestellte kritisiert den "vorauseilenden Gehorsam" der Universitätsleitung.

Rektor betont Unabhängigkeit

Wöber hält dem entgegen, dass seit ihrer Gründung vor 17 Jahren noch nie eine Regenbogenfahne vor der Modul-Universität gehisst wurde. Dahinter stehe eine strenge Hausregel in Sachen Fahnen: Es werde ausschließlich bei Sterbefällen die schwarze und am Nationalfeiertag die rot-weiß-rote Fahne gehisst. An dieser "seit 2007 gelebten Tradition" wolle man festhalten, begründet der Rektor seine Entscheidung. Wöber betont, "dass das MCC keinen Einfluss auf Studierende, Personal, Personalentscheidungen und Inhalte, zumindest nicht mehr als andere Eigentümer von Privatuniversitäten in der Vergangenheit, nimmt". Nach wie vor stehe es Studierenden, Mitarbeitern und dem Lehrpersonal offen, sich im universitären Kontext für soziale Belange einzusetzen, auch für jene der LGBTIQA+-Community.

In einem eher allgemein gehaltenen Statement versichert auch das MCC, keinen Einfluss auf Entscheidung genommen zu haben. Als Eigentümer "respektieren wir die Freiheit, Autonomie und Autorität" der Modul-Universität, heißt es.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Modul-Universität haben indes eigene Methoden gefunden, um sich gegen den von ihnen vermuteten Einfluss aus Budapest zu wehren. Seit der Absage des Rektors zieren zahlreiche Regenbogenfahnen Bürotüren und -fenster, den Eingang zur Bibliothek und den Empfangsbereich. "Als ich das gesehen habe, hatte ich Gänsehaut", sagt eine Mitarbeiterin. Die Fahnen sollen auch über den Pride-Month hinaus, am besten das ganze Jahr über, hängen bleiben. "Wir wollen zeigen, dass die Werte des MCC nicht die unseren sind." (Johannes Greß, 19.6.2024)