Was macht Martin Kotynek da eigentlich? Die Frage ging durch die Medienbranche, als der ehemalige STANDARD-Chefredakteur vor zwei Wochen seine neue Aufgabe offiziell machte.

Kotynek ist Gründungsgeschäftsführer des Media Forward Fund, der mit einer Reihe prominenter Stiftungen als Gründungspartner privates Kapital für die Medienbranche im deutschsprachigen Raum mobilisiert. Eine private Medienförderung für Qualitätsmedien und tragfähige Geschäftsmodelle, die Anfang Juli mit einem ersten Aufruf zur Einreichung startet. Die Frage, was Kotynek da tut, lässt sich nun genauer beantworten.

Er selbst erklärt das Projekt so: "In dieser akuten Transformationskrise der Medien wollen wir jetzt einen Beitrag leisten, dass mehr Medien in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren. So wollen wir Lösungen finden, wie sich unabhängiger, kritischer Journalismus als einer der Grundpfeiler unserer Demokratie künftig finanzieren lässt. Wir hoffen, dass sich weitere Stiftungen, Family-Offices, Unternehmen, Privatpersonen und schließlich auch die öffentliche Hand der Initiative anschließen, um die Funktionsfähigkeit von Journalismus abzusichern."

"Kritischen Journalismus absichern" will Martin Kotynek als Gründungsgeschäftsführer des Media Forward Fund.
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Der Media Forward Fund nimmt sich ein gepooltes Fördervolumen von 25 Millionen Euro vor. Er startet mit einem einstelligen Millionenbetrag der Gründungspartner, die auch in den Gremien des Fonds vertreten sind. Jeweils zunächst rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr werden für die ersten Fördercalls ab 1. Juli grob budgetiert.

 Nachrichtenwüsten

Der Fund startet vor einem herausfordernden bis düsteren Branchenpanorama: Eine Vielzahl von Medienhäusern in Deutschland, Schweiz und Österreich haben in den vergangenen Monaten am journalistischen Personal teils drastisch gekürzt. Mehr und mehr Regionen in Deutschland haben keine unabhängigen lokalen Medien mehr, überregionale Medien tun sich immer schwerer mit dem Vertrieb ihrer Angebote in ländlicheren Regionen. Werbung, die journalistische Medienangebote lange hauptsächlich finanzierte, geht überwiegend an digitale Plattformen von Google abwärts. Parteiische Portale mit emotionalisierenden Botschaften konkurrieren mit klassischen Medien um Aufmerksamkeit auf Social Media und attackieren sie nach Kräften, mit dem Ziel, Vertrauen in journalistische Angebote zu untergraben.

"News Deserts" nennt man in den USA solche nicht mehr mit lokalen Medienangeboten versorgten Regionen. Eine Analyse der Faktencheck-Organisation Newsguard kommt zum Schluss, dass inzwischen mehr parteiische, Medien imitierende digitale Angebote in den USA online sind als journalistische lokale Zeitungen erscheinen.

Nachrichtenwüsten tun sich etwa auch in Deutschland auf. An der Hamburg Media School läuft derzeit ein Forschungsprojekt, um die Entwicklung solcher Nachrichtenwüsten in Deutschland zu dokumentieren, Partner sind hier Transparency International und Netzwerk Recherche.

Journalistisch unterversorgte Communitys

Der Media Forward Fund will laut Kotynek vordringlich Lücken in der überregionalen wie in der regionalen oder lokalen Berichterstattung entgegenwirken und Angebote in thematischen Nischen des Journalismus unterstützen. Förderentscheidungen sollen Projekte und Organisationen besonders berücksichtigen, die sich journalistisch unterversorgten Communitys widmen, für die es keine oder sehr wenige Angebote gibt. In einer weiteren Ausbaustufe will der Fonds auch branchenübergreifende – etwa technische – Lösungen fördern und auch journalistische Plattformen, die nicht selbst publizieren.

Der Fund fördert in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einer allgemeinen Förderung nationale oder überregionale sowie regionale und lokale Medien. Sie müssen "gemeinwohlorientiert" sein. Kotynek erklärt das so: "Die Gewinne des Mediums werden mit der Absicht erwirtschaftet, der Stärkung des Journalismus zu dienen."

Bis zu 400.000 Euro pro Projekt

Neu gegründete und kleinere Medien bis zu 30 Vollzeitjobs müssen ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell vorlegen können. Sie bekommen eine Organisationsförderung, können über die konkrete Verwendung der Förderung selbst entscheiden. Geplantes Fördervolumen für eine solche Organisationsförderung: "in der Regel" bis zu 400.000 Euro, höhere Summen sind möglich.

Bei größeren Medienunternehmen werden Projekte finanziert, die Förderung kann bis zur Hälfte der Projektsumme betragen. Bei diesen Medien müssen zudem 30 Prozent der digitalen Erlöse aus wiederkehrenden Zahlungen von Usern und Userinnen kommen, höchstens 30 Prozent der Inhalte dürfen von Agenturen kommen oder KI-generiert sein, um eine Förderung zu bekommen. Für eine solche Projektförderung sind bis 200.000 Euro vorgesehen, auch hier soll es Spielraum geben.

Auch Recherchebündnisse können gefördert werden, aber nicht einzelne Rechercheprojekte. Öffentlich-rechtliche Medien sollen in einer späteren Ausbaustufe Förderungen bekommen können – wenn "der öffentlich-rechtliche Bereich als Beitrag zum Erhalt der Medienvielfalt in den Fund einzahlt", heißt es in einer Präsentation.

Jeweils rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr werden für den ersten Call ab 1. Juli grob budgetiert, pro Jahr könnten nach den ersten Kalkulationen jeweils fünf bis sechs Projekte im deutschsprachigen Raum gefördert werden. Finden sich wie erhofft weitere Kapitalgeber für den Fonds, die Kotynek mit dem Start ab Juli ansprechen will, auch mehr.

Neben der allgemeinen Förderung, die den größten Teil ausmachen soll, hat der Media Forward Fund auch eine "thematische Förderung", mit der er Institutionen zur Unterstützung gewinnen will, die bisher Journalismus nicht gefördert haben. Hier liegt der Fokus auf Wissenschaftsjournalismus, Bildungsjournalismus, Kulturjournalismus, Gesundheitsjournalismus, Umwelt- und Klimajournalismus sowie Technologieentwicklung für Journalismus.

Kotynek zitiert in dem Zusammenhang John Palfrey, Präsident der McArthur Foundation: "Der philanthropische Sektor erkennt gerade, dass Fortschritte in allen anderen Fragen – von Bildung und Gesundheitsversorgung bis hin zur Reform der Strafjustiz und dem Klimawandel – vom Verständnis der Öffentlichkeit für die Fakten abhängen. Was auch immer Ihr erstes Thema ist: Journalismus sollte Ihr zweites sein." Die McArthur Foundation unterstützt mit 21 anderen Stiftungen das US-Vorbild des Media Forward Fund. Der Press Forward Fund hat inzwischen 500 Millionen Dollar für Investitionen in den Journalismus über fünf Jahre eingesammelt.

Wer entscheidet?

Die Gründungspartner des Media Forward Fund sind in einem Beirat vertreten, der etwa die Vergabekriterien festlegt. Eine unabhängige Jury soll aufgrund beruflicher Kompetenz berufen werden, die Namen sind noch nicht veröffentlicht. Im Herbst 2024 soll die Jury die ersten Mittel vergeben.

Die Idee einer eigenen Förderorganisation zwischen Geldgebern und Geförderten erklärt Gründungsgeschäftsführer Kotynek als eine Art "Brandmauer" so: "Journalismus zu fördern gilt oft als politisch und heikel." Schnell stehe der Verdacht im Raum, man wolle sich Berichterstattung kaufen. Zudem stünden auch die Förderer "im Rampenlicht, sobald ein gefördertes Medium in der Berichterstattung einen Fehler macht".

Mit dem gemeinsamen Pool würden Geldgeber kein einzelnes Medium fördern, mit dem man dann inhaltlich in Verbindung gebracht werde, sondern sich insgesamt für die Stärkung der Medienvielfalt engagieren. Mit der Trennung von Beirat und Jury sei sichergestellt, dass die Stiftungen Förderentscheidungen nicht beeinflussen könnten. (Harald Fidler, 19.6.2024)