130 Tore hat Cristiano Ronaldo bereits für Portugal geschossen. Genug hat der 39-Jährige längst noch nicht. Ihn reizt die Marke von 250 Länderspielen.
AP/Hassan Ammar

Es ist nicht so, dass Ivica Vastic in Panik gerät, er weiß, die Zeiten sind schnelllebig. Obwohl es in seinem Fall lange dauert. Die Wahrscheinlichkeit, dass sein Rekord, ältester EM-Torschütze zu sein, fällt, ist das Gegenteil von gering. Zur Erinnerung: Bei der Heim-EM 2008 traf Vastic in der 93. Minute per Elfer zum 1:1-Endstand gegen Polen. Vastic war 38 Jahre und 257 Tage alt. Die Geschichte ging nicht um die Welt, aber in Europa war sie ein Thema. Cristiano Ronaldo war bereits damals ein Kapazunder, viel berühmter als Vastic.

Vastic in Bedrängnis

Am Dienstag kann der Portugiese den Österreicher aus der Liste streichen. Trifft er in Gruppe F in Leipzig gegen Tschechien (21 Uhr), wäre er 39 Jahre und 134 Tage alt. Das ist er auch ohne Tor. Gegen die Türkei oder Georgien könnte er Versäumtes nachholen. Vastic steckt also in arger Bedrängnis.

Für Ronaldo ist es die sechste Europameisterschaft. Bei der Premiere 2004, nach dem 0:1 daheim im Endspiel gegen Griechenland, weinte er bitterlich. Im Finale 2016 schied er frühzeitig verletzt aus, Portugal schlug Frankreich trotzdem 1:0.

Ronaldo gibt sich 2024 fast demütig, sagte, bei ihm sei überhaupt keine Routine eingekehrt. "Es gibt immer dieses Kribbeln im Bauch, besonders am Tag vor dem Spiel. Ich bin froh, dass ich das spüre, denn wenn es mal weg ist, sollte ich lieber aufhören." In Deutschland möchte er nun am nächsten Triumph bis zum Ende mitarbeiten. "Ich glaube, dass diese Generation es verdient, ein Turnier dieser Größe zu gewinnen."

Angesprochen auf den Altersrekord, sagte er. "Ich genieße den Fußball, und Rekorde sind einfach eine Konsequenz daraus. Für mich sind sie kein Ziel, ich denke, sie kommen von allein."

Selfie-Jäger

Ronaldo – tut leid für Toni Kroos oder Kylian Mbappé – ist zumindest vorerst der Superstar, das Objekt der Begierde. Lionel Messi wäre ein Konkurrent gewesen, aber der ist als Argentinier verhindert. Das öffentliche Training der Portugiesen war zumindest in Gütersloh ein Straßenfeger, die 8000 Tickets waren schneller vergriffen als die Tournee von Frau Taylor Swift. Immer wieder stürmten hysterische Selfie-Jäger auf den Rasen, immer wieder packten die Ordner herzhaft zu. Doch ein kleiner Bub schlängelte sich bis zum verdutzten Superstar durch, zückte sein Handy – und knipste strahlend sein Andenken für die Ewigkeit.

Dass Kritiker in der Heimat forderten, den alternden Star auf die Bank zu setzen, juckt einen CR7 kaum. Die Zahlen sprechen für ihn. 35 Tore erzielte er in 31 Saisonspielen für Al-Nassr, wobei Treffer im drittklassigen saudischen Fußball-Exil einer gewissen Einordnung bedürfen. Aber auch in der EM-Quali traf er zehnmal, jedes Mal gefolgt mit seinem "Siuuu", also seinem kraftvollen "Ja!". Und bei der Generalprobe gegen Irland netzte er zweimal, es wurde ein 3:0. Ronaldo hält bei 130 Treffern in 207 Länderspielen. Zwei Weltrekorde. EM-Rekordspieler (25) und EM-Rekordschütze (14) ist er logischerweise auch.

Einer glücklich, alle froh

Sein Trainer, der Spanier Roberto Martinez, setzt auf Ronaldo, der bei der WM 2022 in Ungnade gefallen war. Martinez’ Vorgänger Fernando Santos wagte es, den Kapitän in der K.-o.-Runde auf die Bank zu setzen, Portugal und Santos flogen raus. Der neue Coach klebte den zerbrochenen Krug wieder zusammen. Der 50-Jährige verstand die wichtigste Regel sofort: Ist Ronaldo glücklich, sind alle glücklich.

Für ihn ist die Zeit im EM-Quartier bei Marienfeld auch ein Wiedersehen. Vor 18 Jahren hatten die Portugiesen dort ebenfalls ihr Quartier bei der WM. "Cristiano hat uns schon erzählt, wie es war", sagte Mittelfeldspieler Vitinha. Er selbst war damals sechs Jahre alt: "Ich erinnere mich an fast nichts."

Ronaldo an alles. "Cristiano ist ein sehr wichtiger Kapitän für uns. Er spielt nach wie vor auf einem Toplevel!", sagte Martinez. "Was Cristiano auszeichnet: Für den Erfolg tut er alles. Für sich, aber auch für seine Mitspieler." Martinez führte ein Beispiel für den Ehrgeiz des Weltstars an: "Cristiano stand voriges Jahr kurz vor seinem 200. Länderspiel. Ich fragte ihn, ob diese Marke etwas ist, was ihn interessiert. Er antwortete: 250 interessieren mich!" (Christian Hackl, 18.6.2024)

Mögliche Aufstellungen zum Fußball-EM-Spiel Portugal - Tschechien am Dienstag in Leipzig:

Gruppe F, 1. Runde:

Portugal - Tschechien (Leipzig, Red Bull Arena, 21.00 Uhr/live ServusTV, SR Marco Guida/ITA)

Portugal: 22 Costa - 24 Silva, 4 Dias, 3 Pepe - 5 Dalot, 8 Fernandes, 6 Palhinha, 10 B. Silva, 20 Cancelo - 11 Felix, 7 Ronaldo

Tschechien: 1 Stanek - 2 Zima, 3 Holes, 18 Krejci - 5 Coufal, 14 Provod, 22 Soucek, 7 Barak, 15 D. Jurasek - 10 Schick, 11 Kuchta

Es fehlt: Sadilek (Fußverletzung)