Elly Schlein und ihr PD werden an der Demo am Dienstag teilnehmen.
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Unmittelbarer Anlass für die erste gemeinsame Kundgebung ist eine wüste Massenschlägerei im Parlament, die von einigen Abgeordneten der rechtsnationalen Regierungskoalition letzte Woche angezettelt worden war: Ein Parlamentarier der Fünf-Sterne-Bewegung, der vor den Regierungsbänken mit einer italienischen Trikolore gegen die geplante Autonomiereform protestierte, wurde von mehreren Vertretern der Rechtskoalition angerempelt und niedergeschlagen; als er bereits am Boden lag, wurde er von den Angreifern mit Fußtritten traktiert.

Es brauchte den Einsatz mehrerer Saalordner, um zu verhindern, dass der Angegriffene nicht ernsthaft verletzt wurde. In den Augen der Opposition erinnerte der Vorfall auf fatale Weise an die faschistischen Schlägertrupps, die nach der Machtergreifung des Diktators Benito Mussolini in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts Jagd auf politische Gegner machten.

Die Schlägerei war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: "Um die Demokratie, den Rechtsstaat und die Verfassung zu verteidigen", kündigten die Vorsitzende des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), Elly Schlein, und der Chef der Fünf Sterne, Ex-Premier Giuseppe Conte, kurz danach eine große Kundgebung in Rom an, die Dienstagnachmittag im Stadtzentrum stattfinden wird.

Gegen die Verfassungsreform

Dem Aufruf haben sich inzwischen auch die linksgrüne Allianz, die Europa-Partei und die größte Gewerkschaft des Landes sowie zahlreiche Vereine der Zivilgesellschaft angeschlossen. Bei der Kundgebung soll außerdem gegen die Autonomiereform und ganz besonders gegen Melonis Verfassungsreform protestiert werden, mit der die Stellung des Regierungschefs gestärkt und gleichzeitig die Kompetenzen des Staatspräsidenten beschnitten werden sollen.

Dass sich die Opposition erst jetzt, fast zwei Jahre nach der Vereidigung der rechtesten Regierung Italiens seit der Mussolini-Diktatur, zusammenrauft und erstmals gemeinsam gegen Meloni auf die Straße geht, ist im Grunde unfassbar. Der Hauptgrund dafür liegt in den erheblichen politischen Unterschieden, die den PD und die Fünf Sterne trennen. Der PD ist eine klassische Linkspartei, die unter dem Vorsitz von Elly Schlein, der "Anti-Meloni", die linken Positionen deutlich geschärft hat.

Die Fünf-Sterne-Protestbewegung dagegen schwankt zwischen Linkspopulismus und Rechtspopulismus hin und her; im Unterschied zum PD will Fünf-Sterne-Chef Conte die Ukraine-Hilfen beenden, und er hat bis heute nicht geklärt, ob er sich bei den US-Wahlen eine Wiederwahl von Joe Biden oder doch eher eine Rückkehr von Donald Trump wünsche. Hinzu kommt, dass der gegen Eitelkeit nicht gefeite Ex-Premier eigentlich eher sich selbst als Oppositionsführer sieht und nicht Elly Schlein vom größeren PD.

Renzi und Calenda scheitern

Zumindest diese letzte Frage ist nun seit den Europawahlen geklärt: Der von Schlein geführte PD hat im Vergleich zu den Parlamentswahlen im Herbst 2022 um fünf Prozent zugelegt und kam auf 25 Prozent, während die Fünf Sterne um fünf Prozent redimensioniert wurden und bei zehn Prozent landeten. Gleichzeitig hat die linksgrüne Allianz bei der Europawahl ihre Stimmenanteile beinahe verdoppelt und liegt nun bei sieben Prozent. Ebenfalls auf insgesamt sieben Prozent kamen Ex-Premier und Ex-PD-Chef Matteo Renzi und der frühere PD-Minister Carlo Calenda. Weil die egozentrischen PD-Abtrünnigen aber bei der Europawahl getrennt antraten, scheiterten beide an der in Italien geltenden Vierprozenthürde.

Das ändert nichts daran, dass die Oppositionsparteien alle zusammen bei der Europawahl auf 49 Prozent kamen, die drei Regierungsparteien – die postfaschistischen Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni, die noch weiter rechts stehende Lega von Matteo Salvini und die vergleichsweise moderate Forza Italia von Außenminister Antonio Tajani – dagegen nur auf 48 Prozent. Bei den Parlamentswahlen 2022 war der Vorsprung der Mitte-links-Parteien sogar noch größer gewesen. Im Unterschied zu der Linken und den Fünf Sternen waren die Rechtsparteien aber gemeinsam angetreten – und wurden vom italienischen Wahlrecht, bei dem die stärkste Koalition den Wahlsieg davonträgt, mit der vorgesehenen Mehrheitsprämie von 55 Prozent der Parlamentssitze belohnt.

Es gäbe aus der Sicht der Opposition im Hinblick auf die nächsten Parlamentswahlen also sehr gute Gründe, die ewigen Streitereien und Eifersüchteleien beizulegen. Vielleicht ist die gemeinsame Kundgebung ja ein erster Schritt dazu. (Dominik Straub aus Rom, 18.6.2024)