"Sprechen Sie Englisch?", wurde Lisa Su von Ex-Formel-1-Fahrer Martin Brundle abschätzig gefragt, als er 2018 vor dem Grand Prix von Singapur Stimmen der Gäste einholte. Dass er die Chefin des Chipkonzerns AMD nicht erkannte, ging als eine der peinlichsten Situationen in die Geschichte der Formel-1-Berichterstattung ein. Es war aber auch ein bezeichnender Moment für die Coolness und Bescheidenheit, mit der sich Su im Hintergrund kontinuierlich an die Spitze gekämpft hat. Anstatt ihre Position hervorzuheben, antwortete sie lässig, dass sie mit AMD hier sei – einem damaligen Hauptsponsor von Ferrari.

Das Bild zeigt Dr. Lisa Su, Chefin von AMD.
Computerchips sind immer schon eine große Leidenschaft von Lisa Su gewesen – auch als sie ihren Aussagen zufolge in der Öffentlichkeit noch nicht als "sexy" galten.
AFP/I-HWA CHENG

Sechs Jahre später kann Su auf weitere Meilensteine einer beeindruckenden Karriere zurückblicken. Im Vorfeld der Computex, der größten IT-Messe Asiens, stellte sie im Juni das neue Portfolio des Chipherstellers vor, will damit auf allen relevanten Märkten vorne mitmischen – und kann es auch. Nicht zuletzt ließ sie damit durchblicken, wie man Börsendarling Nvidia bei KI-Prozessoren herausfordern möchte.

Der gegenwärtige KI-Boom ist es auch, der ihr und dem Unternehmen gehörigen Auftrieb verschafft hat. Dank eines KI-Chips hat sich der Aktienkurs von AMD seit Anfang 2023 verdoppelt. Der Chiphersteller macht mittlerweile einen Jahresumsatz von fast 23 Milliarden Dollar und beschäftigt weltweit 25.000 Mitarbeiter. Su selbst hat laut Forbes durch generative KI vor kurzem den Club der Milliardäre betreten.

Von Taiwan in die USA

Su, die im Alter von drei Jahren mit ihren Eltern aus Taiwan in die USA kam, war schon immer daran interessiert, in der Halbleiterbranche zu arbeiten. Deswegen studierte sie auch Elektrotechnik am renommierten MIT in Boston und arbeitete nebenbei an Computerchips. Nach Stationen bei Texas Instruments und IBM landete sie 2012 schließlich bei AMD und rettete den Chiphersteller mit Weitsicht vor dem Bankrott.

Dabei wussten viele Menschen zu Beginn ihrer Karriere in den 1990er-Jahren nicht einmal, was Halbleiter sind. Sie verwechselten Chips mit Kartoffelchips, erinnerte sie sich neulich bei der Tech-Konferenz SXSW in Austin, Texas. Privat beschreibt sich Su immer noch als Nerd, der ab und zu auch mal gerne Golf spielen oder boxen geht. Ihre Arbeit muss sie heute niemandem mehr erklären. Und auch die mächtigste Frau im Chip-Business sollten mittlerweile alle kennen. Sogar ein Martin Brundle. (Benjamin Brandtner, 18.6.2024)