Der Ballonkonflikt an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea geht in die nächste Runde. Nachdem laut Angaben des nordkoreanischen Regimes aus dem Süden immer wieder Ballons mit Flugblättern Richtung Norden geschickt worden waren, folgte als Reaktion der Versand von Ballons mit Unrat gen Süden. Nach der zweiten Welle an fliegendem Müll begann Südkorea wiederum, seine Beschallungsanlagen an der Grenze wieder aufzubauen. Mit diesen können Kritik an Pjöngjang und K-Pop-Musik in einer Lautstärke ausgegeben werden, die auch noch dutzende Kilometer weit im Landesinneren vernehmbar ist.

Die Flugblattballons freilich gehen nicht auf das Konto der Regierung, die diese Praxis vor über einem Jahrzehnt eingestellt hat und versucht hat, sie 2020 gesetzlich verbieten zu lassen. Dieses Verbot wurde im September 2023 aber vor Gericht als unzulässige Einschränkung der Meinungsfreiheit gewertet und aufgehoben. Organisiert werden die Ballonsendungen seit Jahren von Aktivisten. Und diese rüsten nun auf, berichtet Asahi Shimbun. Sie schicken smarte Ballons los, die nicht nur besonders weit fliegen sollen, sondern auch eine hohe Tragekapazität und zusätzliche Funktionen bieten.

Die smarten Wasserstoffballons kommen oft wesentlich weiter als die üblichen Ballons mit Flugblättern.
REUTERS/Kim Hong-Ji

Hunderte Kilometer Reichweite

Die verantwortliche Gruppe nennt sich Komitee für die Reform und Öffnung von Joson (Joson ist eine Bezeichnung für Nordkorea). Sie hat 30 Kernmitglieder und finanziert sich aus eigener Tasche sowie über Spenden. Gegründet wurde sie in den 1990ern von einem nordkoreanischen Überläufer, der nun auch über die technische Weiterentwicklung der Ballons wacht.

Die Fluggeräte sind mit Wasserstoff gefüllt und können bis zu 7,5 Kilogramm an Fracht transportieren, die in einer 3D-gedruckten Box liegt. Beladen werden die meisten mit 1500 Flugblättern. Diese werden gemäß einer programmierten Zeitsteuerung ausgestreut, die sich am zu erwartenden Flugpfad orientiert, jeweils 25 Stück auf einmal. Per GPS können die Aktivisten ihre Reise nachverfolgen. Die smarten Ballons kommen hunderte Kilometer weit. Einer soll es auch schon über Nordkorea hinaus bis nach China geschafft haben.

Einer der Ballons soll es sogar schon bis nach China geschafft haben.
REUTERS/Kim Hong-Ji

Lautsprecher an Fallschirmen

Seit diesem Jahr gibt es auch andere Fracht. Manche Ballons werden mit Lautsprechern sowie Bündeln aus einer Bibel und einem Kurzwellenradio ausgestattet. Die Lautsprecher haben ein wasserdichtes Gehäuse mit schaumstoffverstärktem Boden, laufen mit einem Lithium-Ionen-Akku und verfügen über einen Verstärker. Nach der Entladung segeln sie an drei kleinen Fallschirmen zu Boden und spielen dann 15 Minuten lang Lieder und Botschaften in nordkoreanischem Akzent ab. Nach einer 30-minütigen Pause beginnt das Programm erneut. Die Akkulaufzeit soll bis zu fünf Tage betragen. "Entledigt euch der Arbeiterpartei, dann kann Nordkorea überleben. Kim Jong-un ist ein Verräter, der gegen die Wiedervereinigung ist", lautet eine der Nachrichten.

Die notwendige Elektronik bestellen die Aktivisten bei südkoreanischen und chinesischen E-Commerce-Portalen. Eine der wichtigsten Weiterentwicklungen ist ein per Höhenmeter gesteuertes Ventil, mit dem automatisch verhindert werden kann, dass ein Ballon zu hoch aufsteigt. Das sorgt für einen stabileren Flug. Andere Steuerungsmöglichkeiten gibt es nicht, nach dem Abflug ist man darauf angewiesen, dass die Wind- und Wetterprognosen einigermaßen zuverlässig sind. Die Gruppe schätzt, dass 50 bis 60 Prozent ihrer Ballons weiter kommen als nur einige Dutzend Kilometer hinter die Grenze.

Ein wahrscheinlich aus Nordkorea geschickter Ballon mit Müll als Beifracht in einem südkoreanischen Reisfeld.
AP

Es ist nicht das erste Mal, dass Ballons für Spannungen sorgen. 2020 riss Nordkorea im Rahmen eines Streits über Flugblattballons ein interkoreanisches Verbindungsbüro ab. Zwei Jahre später behauptete Pjöngjang, dass über die Ballons das Coronavirus verbreitet würde. Einige Bewohner im südkoreanischen Grenzgebiet geraten auch immer wieder in Streit mit Aktivistengruppen. Sie sehen sich durch die Sendungen einem Risiko durch nordkoreanische Aggressionen ausgesetzt. (gpi, 12.6.2024)