Auch die sehr trockenen Gebiete der Erde sind selten vollkommen frei von Wasser. Zumindest in der Umgebungsluft ist etwas davon gebunden. Doch die Luftfeuchtigkeit der lokalen Atmosphäre "anzuzapfen" ist deutlich schwieriger, als Wasser aus einem Fluss oder Brunnen zu schöpfen. Die Bewohner vieler trockener Gebiete fanden aber immer wieder auch kreative Methoden, um mit Netzen, Behältern oder Tüchern zumindest ein wenig kostbares Nass zu sammeln. Auch die Evolution hat ausgeklügelte Ansätze zum Sammeln von Kondenswasser hervorgebracht. Es gibt etwa Wüstenkäfer, deren Körper eine spezielle Oberfläche haben, um der Luft jene paar Tropfen zu entziehen, die sie zum Überleben brauchen.

Mit der sich zuspitzenden Klimakatastrophe bekommt das Prinzip eine neue Aktualität. Denn in vielen ohnehin sehr trockenen Gebieten versiegen die Wasserquellen immer öfter. Auch die ausgebildete Sozialarbeiterin Beth Koigi aus Kenia stieß auf diese Technologie. Unter dem Eindruck der öfter auftretenden und intensiver werdenden Dürren in ihrem Land erkannte sie das Potenzial, das diese Art der Wassergewinnung künftig haben kann.

Mit ihrem Team von derzeit sechs Mitarbeitern installiert Beth Koigi atmosphärische Wassergeneratoren, die große Mengen Trinkwasser aus der Luft filtern können.
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Versorgung für 2400 Menschen

Eine Reihe von Unternehmen haben sich bereits mit der Entwicklung von Kondensationsmaschinen und sogenannten atmosphärischen Wassergeneratoren beschäftigt. Die Technologie funktioniert. Gerade dort, wo sie dringend gebraucht wird – etwa in afrikanischen Dürregebieten – findet sie aber noch keine großflächige Anwendung für die lokale Bevölkerung. Hoher Strombedarf und hohe Kosten gehören zu den Gründen dafür.

Beth Koigi möchte das ändern. Die Kenianerin hat sich mit ihrem Sozialunternehmen Majik Water die Aufgabe gestellt, die Technologie nach Subsahara-Afrika zu bringen und hier in großem Stil auszurollen. "Im Moment versorgen unsere Geräte 2400 Menschen pro Tag mit Trinkwasser. Unsere größte Installation kann 500 Liter Wasser pro Tag produzieren", skizziert Koigi den Status quo. Doch diese Zahlen sollen rasch in die Höhe schnellen.

"Unsere Pläne sind ziemlich ambitioniert. Wir wollen zumindest ein oder zwei Systeme in den Zentren jener Städte, die in sehr trockenen Gebieten liegen – und das sind viele", sagt die Start-up-Gründerin. "Außerdem sehen wir uns auch andere wasserarme Gegenden in Ostafrika an, etwa in Tansania oder im Sudan." Teil der Pläne ist es auch, große Flüchtlingslager in der Region mit den Anlagen auszustatten.

Beth Koigi versorgt mit ihrem Sozialunternehmen Majik Water bereits tausende Menschen in Kenia mit Wasser. Dank einer lokalen Solaranlage kann sie auch Wasser im Flüchtlingslager Kakuma anbieten.
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Nur ein kleiner Teil Kenias hat kaum Wasserprobleme. In der Region Limuru etwa, wo es viel Landwirtschaft gibt. Just in dieser grünen Region im Zentrum des Landes ist Koigi aufgewachsen. Umso größer war der Kulturschock, als sie in den trockenen Osten des Landes kam, auf die andere Seite des Mount Kenia, um hier zu studieren.

"Zu Hause war der Fluss, von dem man Wasser holen konnte, wenige Hundert Meter entfernt. Hier müssen die Menschen mancher Communitys dagegen weite Reisen auf sich nehmen, um den Wasservorrat aufzufüllen", erklärt die Sozialunternehmerin. Zudem ist auch die Wasserqualität ein großes Problem. Der Fluss, der von ihrem Studierendenheim erreichbar war, zeigte sich etwa voller Schlamm.

Das Büro von Majik Water in Kenia, wo das Team die Wassergeneratoren zusammenbaut.
© Rolex/Eva Diallo

Vom Filter zum Generator

Das unappetitliche braune Wasser führte zu Koigis erstem Projekt – der Produktion von Wasserfiltern mit aktivierter Kohle. Zuerst bastelte sie aus Holzkohle für sich selbst eine Filteranlage, dann für ihre Freunde. Bei einem Praktikum im Zuge ihres Sozialarbeitsstudiums sah sie, wie in manchen Gemeinden die schlechte Wasserqualität massive Gesundheitsprobleme, vor allem bei Kleinkindern, auslöste. Also begann sie sich nach Finanzierungen umzusehen und auch die Menschen hier mit ihren Filtern zu versorgen.

Alles änderte sich für Koigi aber ab Mitte der 2010er-Jahre. Dürren und Trockenzeiten, die stärker als üblich ausfielen, ließen Flüsse austrocknen – selbst jene, die früher durchgehend Wasser führten. "Für viele der Communitys war die Lage hoffnungslos", schildert Koigi, die nun begann, über Verbesserungsmöglichkeiten nachzudenken. "Wir können uns auf die traditionellen Wasserquellen nicht mehr verlassen, weil sie sich durch das Klima verändern. Zumindest für das Trinkwasser brauchen wir neue Möglichkeiten", betont sie.

Mit der Idee, die Generatoren, die das Wasser aus der Atmosphäre filtern, an die Gegebenheiten und Erfordernisse ihres Landes anzupassen, nahm sie an einem Start-up-Programm teil. Erste Prototypen entstanden. Dann fand sich ein Unternehmenspartner in Indien, dessen Technologie man für einfache, robuste und wartungsarme Anlagen adaptieren konnte. Per Umfragen wurde untersucht, wie die lokale Bevölkerung mit der Technologie zurechtkommen würde. Immer wieder hörte man dabei, dass es ein paar Generationen davor durchaus üblich war, Wasser über Nacht gezielt etwa an Metallblechen kondensieren zu lassen.

Bei dem Gründerprogramm lernte Koigi auch die kanadische Umweltwissenschafterin Anastasia Kaschenko und die Oxford-Ökonomin Clare Sewell kennen, mit denen sie 2017 das Sozialunternehmen Majik Water gründen sollte. Das Ziel: die Anlagen in jene ländlichen, trockenen Regionen zu bringen, die nicht an ein allgemeines Stromnetz angebunden sind.

Majik Water wurde 2017 gegründet und versorgt heute 2400 Menschen mit Trinkwasser.
© Rolex/Eva Diallo

Suche nach Energiequellen

In diesem Anspruch liegt auch die große Herausforderung. Woher die Energie nehmen? Die Projekte von Majik Water gehen dorthin, wo sich Gelegenheiten ergeben und Kooperationen möglich sind, sagt Koigi: "Unsere Partner sind zum Beispiel lokale Minigrids oder NGOs, die Solaranlagen betreiben. Deren Überschussproduktion verwenden wir für die Wassergewinnung." Auch in einem Flüchtlingslager, ein riesiges Areal mit insgesamt 300.000 Bewohnern, wurde bereits ein "Wasserkiosk" eröffnet, der den Output einer Anlage unter die Leute bringt. Der lokale Minigrid-Betreiber möchte die Kollektorflächen stark erweitern, und so sollen auch viele weitere Kioske folgen.

Majik Water ist ein Unternehmen, das nicht profitorientiert ist. "Wir verkaufen das Wasser zu einem Preis, der es uns erlaubt, die operativen Kosten zu decken und kein weiteres Geld nachschießen zu müssen", erklärt die Start-up-Gründerin. Der Preis von zehn Kenia-Shillingen, etwa sieben Eurocent, pro Liter lokal aufbereiteten Trinkwassers ist sehr viel geringer als jener der "direkten Konkurrenz" – des importierten, in Flaschen abgefüllten Wassers. Koigi: "Wir versuchen die lokalen Communitys zu unterstützen, damit sie nicht von dieser wenig nachhaltigen Art der Wasserversorgung abhängig sein müssen." (Alois Pumhösel, 21.6.2024)