Ein Braunbär steht auf einer Wiese und schaut in die Kamera
Der Internettrend sorgt unter dem Hashtag #ManOrBear für reichlich Diskussionsstoff.
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Wären Sie lieber mit einem Mann oder einem Bären allein im Wald? Diese Frage – oder besser gesagt, die Antwort vieler junger Frauen darauf in einem viralen Video – sorgt aktuell für Aufruhr im Netz. Denn sieben von acht Befragten ziehen die pelzigen Waldbewohner ihren Mitmenschen vor. Das dazugehörige Video hat auf Tiktok mittlerweile 17 Millionen Aufrufe und über 70.000 Kommentare generiert.

In denen erklären Frauen, warum sie sich ebenfalls für den Bären entscheiden würden. Und vorwiegend männliche Kommentatoren reagieren darauf mit Verblüffung oder gar Verärgerung. "Ich glaube, die wissen nicht, wie gefährlich ein Bär ist", liest man in den Kommentarspalten. Und: Männer würden unter Generalverdacht gestellt.

Natürlich meinen die meisten Frauen das nicht ganz ernst. Sie wissen auch, wie gefährlich Begegnungen mit Bären sein können. Aber hinter ihren Antworten steckt eine wichtige Botschaft.

Laut einer Studie der Fachzeitschrift Nature aus dem Jahr 2019 kam es in Europa im Zeitraum von 2000 bis 2015 zu 291 Bärenangriffen auf Menschen. 19 davon endeten tödlich. Allein im Vorjahr wurden in Österreich laut den Daten des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser 26 Femizide verübt, zusätzlich habe es 51 Mordversuche beziehungsweise Fälle schwerer Gewalt an Frauen gegeben. Die Gewaltstatistik zeigt zudem, dass bereits jede dritte Frau ab ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt hat.

Betroffenen glauben

Gerade in schweren Fällen stehen Täter und Opfer meist in einem Naheverhältnis. Doch auch auf dem Weg allein nach Hause, in Clubs oder am Arbeitsplatz widerfahren Frauen Sexismus und übergriffiges Verhalten. Die Frage "Mann oder Bär" ist, zugegeben, zugespitzt. Doch die Debatte darüber macht nicht nur eindrücklich auf das eingeschränkte Sicherheitsgefühl von Frauen aufmerksam, sondern auch auf ein weiteres Problem, vor dem viele Betroffene stehen.

"Wenn mich ein Bär angreift, glaubt man mir wenigstens", schreibt eine Tiktok-Nutzerin. Statt also direkt in die Abwehrhaltung zu gehen, wäre es an der Zeit, Betroffenen zuzuhören, ihnen zu glauben. Ein stärkeres Bewusstsein für die Lebensrealität vieler Mädchen und Frauen wäre zumindest schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung. (Anika Dang, 11.5.2024)