Wien – Der große Wurf wird der am Freitag vom Finanz- und vom Arbeitsministerium in Begutachtung geschickte Gesetzentwurf zur Novelle des Betrugsbekämpfungsgesetzes wohl nicht. Aber es sind wichtige und notwendige Erweiterungen, die der Gesetzgeber der Exekutive in Sachen Finanz- und Sozialbetrug in die Hand geben will. Denn wie bei anderen Betrugsmaschen sind die Betrüger mit ihren Scheinfirmen der Exekutive mindestens einen Schritt voraus.

Das soll sich mit dem aus zwei Teilen bestehenden Gesetzespaket, mit dem Finanzstrafen, Sozialversicherungs- und Meldestandardgesetz aktualisiert werden, nun ändern. So soll das im Finanzministerium angesiedelte Amt für Betrugsbekämpfung (ABB) Instrumente in die Hand bekommen, mit denen Strohfirmen früher identifiziert und und die dahinterstehenden Betrüger früher und umfassender sanktioniert werden können.

Ein Einsatzfahrzeug der Finanzpolizei. 
Bundeskriminalamt und Finanzpolizei können derzeit aus unterschiedlichen Gründen nur einen Bruchteil des Sozial- und Abgabenbetrugs verfolgen.
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Anders als beim inzwischen klassischen Sozialabgabenbetrug entfalten Strohfirmen heutzutage kaum noch Aktivitäten, die über das Vereinnahmen des – mittels Scheinrechnungen von sogenannten Durchleiterfirmen – Schwarzgelds hinausgeht. Das macht es schwierig, der Drahtzieher habhaft zu werden. Denn sobald das Geld auf dem Konto eingeht, wird es behoben und als Schwarzgeld an das tatsächlich die Arbeiten ausführende Unternehmen übergeben. Darüber hinaus werden Scheinrechnungen für zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuern verwendet.

Lohn in Cash

Das ist insbesondere bei Liefer- und Zustelldiensten, aber auch Reinigungsfirmen relevant. Sie gelten als Hort der Schwarzarbeit. In diesen Branchen sind, anders als in der Baubranche, Barauszahlungen von Löhnen und Gehältern nach wie vor erlaubt – wie in vielen anderen Branchen auch. Verboten ist die Auszahlung der Löhne in Cash bis dato einzig in der Baubranche. Und das wird auch so bleiben. Denn zu einem Verbot von Lohnzahlungen in bar können sich die "Schützer des Bargelds" in der türkis-grünen Regierung offenbar nicht durchringen, sagt ein mit der Materie befasster Finanzstrafexperte zum STANDARD.

Zahnlos wird das Gesetz nach der Novelle – die parlamentarische Begutachtung endet am 21. Mai – dennoch nicht sein. Denn künftig soll es für die Strafverfolgungsbehörden immerhin möglich sein, scheinbar unscheinbare Fakten zu überprüfen, etwa mit wie vielen Wochenstunden ein Dienstnehmer tatsächlich bei der Sozialversicherung angemeldet ist. Das ist derzeit nicht möglich.

Das Amt für Betrugsbekämpfung geht auf Basis der Geldwäscheverdachtsmeldungen des Bundeskriminalamts von einem ungeklärten Abfluss von Bargeld in Höhe von jährlich bis zu 800 Millionen Euro im Wege von Scheinunternehmen aus. Diese Mittel dienten der Auszahlung von Löhnen teilweise oder zur Gänze in Form von Schwarzgeld. Das schmälere Gewinne, ermögliche Gewinnentnahmen und -verschiebungen und schmälere natürlich auch die Abgabenlast. Den Schaden durch nicht geleistete Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge geben die Behörden mit mehreren Hundert Millionen Euro an. Dass es nicht um sogenannte Peanuts geht, sondern ein großes Rad gedreht wird, zeigt der sprunghafte Anstieg der Zahl von bescheidmäßig festgestellten Scheinunternehmen. Ihre Zahl stieg von 44 auf mehr als 150 im Vorjahr.

Wie DER STANDARD berichtete, hat auch der Rechnungshof vor einem halben Jahr insbesondere den Personalmangel in der Finanzstrafverwaltung kritisiert.

Finanzordnungswidrigkeit

"Scheinunternehmen, organisierte Schwarzarbeit und Geldwäsche bedrohen große Teile der legalen Wirtschaft", kommentierte Finanzminister Magnus Brunner den Gesetzesentwurf. "Die Bekämpfung von Scheinunternehmen und illegalen Geschäftspraktiken steht im Zentrum unserer Bemühungen, den Sozialbetrug wirksam einzudämmen", so Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP).

Künftig sollen Erstellung und Verwendung von Schein- und Deckungsrechnungen mit Geldstrafen von bis zu 100.000 Euro belegt werden. Präzisiert wird, wann ein Beleg unrichtig ist, also inhaltlich unrichtige Tatsachen als richtig dargestellt werden und es sich somit um eine Lugurkunde handelt. Da die meisten Scheinunternehmen nur sehr kurzlebig und die Verantwortlichen danach nicht mehr greifbar sind, wird die sogenannte Finanzordnungswidrigkeit eingeführt. Dabei wird das bisher im straflosen Vorbereitungsstadium begangene Delikt – sofern vorsätzlich begangen – strafbar. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Einen leichteren Zugang zu Bankauskünften über mutmaßliche Scheinfirmen, den sich Bundeskriminalamt und Finanzpolizei gewünscht hatten, erhalten die Ermittler laut dem Gesetzentwurf trotzdem nicht. Immerhin sollen Scheinunternehmen und Verdachtsfälle sowie weitere Betrugshandlungen künftig in die Sozialbetrugsdatenbank aufgenommen werden. Zu dieser bekommt nun auch das Arbeitsmarktservice Zugang. Auch die Haftung des Auftraggebers für Entgeltansprüche von Arbeitnehmern soll ausgeweitet werden.

(Luise Ungerboeck, 10.5.2024)