Josip Stanisic erzielte das späte 2:2 gegen die Roma.
Josip Stanisic erzielte das späte 2:2 gegen die Roma.
EPA/CHRISTOPHER NEUNDORF

Leverkusen – Xabi Alonso brüllte im roten Final-Shirt vor der Kurve seine Freude heraus, aus den Boxen dröhnte der italienische Hit Bella Ciao - und inmitten des fast schon alltäglichen Last-Minute-Wahnsinns fieberten die Spielervon Bayer Leverkusen bereits der Erfüllung des Triple-Traums entgegen. "Es könnte eine sehr geile Woche werden", sagte der gefeierte Torschütze Josip Stanisic mit Blick auf das, was die weiter unbesiegten Rekordjäger im Endspurt erwartet.

Dass Leverkusens Serie hielt, war wieder einmal auf ein spätes Tor zurückzuführen. Das 2:2 von Josip Stanisic bedeutete bereits das 14. Tor von Bayer in dieser Saison in der Nachspielzeit und löste bei Fans und Trainer Xabi Alonso große Begeisterung aus. "Wir haben großen Charakter gezeigt. Meine Spieler verdienen drei Titel", betonte Xabi Alonso.

Die Werkself knackte am Donnerstag beim nervenaufreibenden 2:2 (0:1) gegen die AS Roma eine fast 60 Jahre alte Europa-Bestmarke. 49 Pflichtspiele in Serie ohne Niederlage schaffte nach Angaben der deutschen Fußball-Bundesliga bis dato keine Mannschaft, seit es kontinentale Wettbewerbe gibt. Den bisherigen Rekord hielt Benfica Lissabon, das von Dezember 1963 bis Februar 1965 wettbewerbsübergreifend in 48 Partien in Folge ungeschlagen geblieben war. Zudem ist der deutsche Meister, der durch die Finaleinzüge im DFB-Pokal und in der Europa League auf Triple-Kurs ist, das erste Team ohne Niederlage in den ersten 32 Bundesliga-Runden. 26 Siege und sechs Remis stehen bisher zu Buche.

"In einer Woche zwei Finals zu haben, ist unglaublich", schwärmte Alonso nach dem Halbfinal-Rückspiel. Das "große Ziel" sei nun, "drei Titel zu gewinnen". Auch Anführer Granit Xhaka, für den "ein Traum in Erfüllung" ging, versprach den euphorisierten Fans vor dem Endspiel in Dublin gegen Atalanta Bergamo: "Wir werden alles dafür geben, um den Pott mit nach Leverkusen zu bringen."

Luxusproblem bei Bayer Leverkusen

Nach dem Einzug ins Europa-League-Finale wartet auf die Leverkusener eine Traumwoche. Am letzten Bundesliga-Spieltag gegen den FC Augsburg steht die ersehnte Übergabe der Meisterschale an, am 22. Mai das Europacup-Finale in der irischen Hauptstadt, nur drei Tage später das DFB-Pokal-Endspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern und am folgenden Sonntag zum Abschluss ein Autokorso inklusive großer Party mit den Fans in der BayArena - womöglich als Triple-Sieger.

Es sei "nicht einfach", sich auf zwei Finals in einer Woche vorzubereiten, sagte Alonso. Seine Mannschaft aber habe gezeigt, "dass sie für alles bereit ist". Auch gegen Rom - und das, obwohl Stanisic nach dem 0:2-Rückstand und unzähligen vergebenen Chancen bereits kurz das Gefühl hatte, "dass es soweit ist".

Doch Tore in der letzten Minute gehörten "mittlerweile zum Tagesgeschäft in Leverkusen", schrieb die spanische Zeitung AS richtigerweise. Bayer, titelte auch Sport, wisse nicht, "was Verlieren ist". Dass der Werkself zugleich die Revanche gegen Rom für das schmerzhafte Vorjahres-Aus im Halbfinale gelang, verkam angesichts der Dramatik beinahe zur Randnotiz.

Bayer überzeugt vom Triple

Xhaka fand kaum Worte, nachdem Stanisic in der siebten Minute der Nachspielzeit den Ausgleich erzielt hatte. "Es ist unfassbar", sagte er. Und Alonso? Immer wieder sei er aufgrund der Comeback-Qualitäten "sprachlos", es sei "großartig, das Finale auf diese Art und Weise zu erreichen". Es ist das dritte europäische Endspiel der Klubgeschichte nach dem Triumph im UEFA-Cup 1988 und der Pleite im Champions-League-Finale gegen Real Madrid 2002.

Spätestens in Dublin soll dann auch der zuletzt angeschlagene Florian Wirtz wieder im Vollbesitz seiner Kräfte sein. Den Zauberfuß plagt nach wie vor ein Schlag auf den Oberschenkel, den er vor rund drei Wochen gegen Borussia Dortmund abbekommen hatte. "Jetzt haben wir eine Pause", sagte Alonso, der Wirtz erst in der Schlussphase in höchster Not gebracht hatte und damit ins "Risiko" gegangen war. Der Nationalspieler sei schließlich "auch mit 70 Prozent noch ein guter Spieler. Aber er braucht noch ein bisschen mehr Zeit."

Denn im Final-Doppelpack setzt Bayer voll auf einen fitten Wirtz - und den unbändigen Siegeswillen. Gegen Bergamo wolle die Werkself, die als nächstes deutsches Team nach Eintracht Frankfurt 2022 in der Europa League triumphieren könnte, "nichts ändern", kündigte Alonso an. Der Fokus des Spaniers liegt nun darauf, die spektakulärste Woche der Vereinshistorie vorzubereiten: "Wir sind überzeugt, dass wir das schaffen können." (APA, sid, red, 10.5.2024)