Lena Schilling Vorwürfe Grüne EU-Wahl
Die grüne Führungsriege lud in Sachen Lena Schilling zur Pressekonferenz: Klubobfrau Sigrid Maurer, EU-Spitzenkandidatin Schilling, Vizekanzler Werner Kogler, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Landesrat Stefan Kaineder.
Foto: Heribert Corn

"Man gibt sein Leben ein Stück weit in andere Hände, weil man das nicht mehr selbst organisieren kann. Das fühlt sich am Anfang etwas mulmig an", sagte Lena Schilling in der dieswöchigen Nummer von News. Da wusste sie noch nicht, wie mulmig es werden kann, wenn man sein Leben in die Hände der Grünen gibt, und das Gefühl der Mulmigkeit wird sie nicht mehr verlassen, solange ihre politische Karriere währt. Denn eines steht fest: Für das, was ihr von verschiedenen Seiten vorgeworfen wird, ist sie selber verantwortlich. Aber eine gutmeinende, politisch eher unbedarfte Klimaaktivistin allein aus parteipolitischer Not zur Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl zu befördern, war nicht nur ein Fehler der grünen Parteiführung, es war auch ein Vergehen an einem unerfahrenen jungen Menschen.

Die derzeitige Führung der Grünen sieht, wenn nicht alle Umfragen täuschen, Verlusten sowohl bei der EU- wie auch bei der Nationalratswahl entgegen. Das hat unter anderem mit der Koalition zu tun, die sie mit der türkisen Volkspartei eingegangen ist und in der sie vieles mittragen zu müssen glaubte, was sie nun, vor den Tagen des nahenden Gerichts, nicht mehr allein verantworten will. Lena Schilling ist in der an Figuren reichen Geschichte der österreichischen Quereinsteigerei nicht der erste Notnagel einer desperaten Parteiführung, von dem man sich das Wunder eines erneuerten Zusammenhalts erhofft, das man sich selber nicht mehr zutraut.

Schlechtes Gewissen

Man setzt auf die Kombination von aktionistischer Bekanntheit und politischer Unschuld, möglicherweise blind, wenn man es unterlassen hat, sich über den persönlichen Hintergrund der aus dem Hut gezauberten Spitzenkandidatin so gründlich zu informieren, wie das in Zeiten eines immer lästiger nachfragenden Journalismus bei jedem Kandidaten, bei jeder Kandidatin unerlässlich geworden ist. Entweder man hat angenommen, Medien würden einfach wehrlos diesem Zauber politischer Unschuld in seiner propagandistischen Aufbereitung durch die Parteispitze erliegen, oder man hat sich nicht darum gekümmert.

Was ziemlich unprofessionell wäre. So wie die skurrile Pressekonferenz, mit der man das eigene Versagen auszubügeln versuchte, indem man Vorhaltungen, die sich offensichtlich nicht aus der Welt schaffen lassen, als Gemurkse und Gefurze aus der Welt zu schaffen versuchte. Allein dieses Geschimpfe zeugt vom schlechten Gewissen der Parteiführung, von dem Druck, unter dem sie innerparteilich steht, und von der Verzweiflung ob einer entschwindenden Hoffnung. Führungsqualitäten beweisen sich gerade in schwierigen Situationen, und das eine solche vorlag, steht ebenso außer Frage wie die Tatsache, dass verantwortliche Führung anders aussieht.

Denn im Gegensatz zu dem beabsichtigten Eindruck, alles schare sich in der Gefahr um Lena Schilling, wurde sie ohne einen vernünftigen, der Situation angepassten Text alleingelassen. Ihr fehlt – noch – die Erfahrung zu erkennen, wann das Private in das Politische umschlägt und dass schon gar nicht rein privat bleibt, was andere Menschen betrifft, auch wenn diese nicht unmittelbar etwas mit Politik zu tun haben. So ließ man sie Phrasen von ihrem höchstpersönlichen Bereich dreschen. Die Betreuung der Spitzenkandidatin muss besser werden. Sonst – mulmig. (Günter Traxler, 10.5.2024)

Video: Vorwürfe gegen Lena Schilling: Grüne in Erklärungsnot
DER STANDARD/APA